Bei Hochsensibilität handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern um ein vermutlich angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, das dazu führt, dass betroffene Kinder und Erwachsene Umwelteinflüsse und Reize stärker wahrnehmen als die meisten Menschen. Die US-amerikanische Psychologin Elaine Aron forschte als Erste zu dem Thema Hochsensibilität und veröffentlichte 1996 ein Buch darüber. Schätzungen zufolge können insgesamt 15-20 Prozent der Bevölkerung als hochsensibel eingestuft werden – viele davon sind noch jung. Da ihre Nervensysteme auf äußere Reize besonders stark reagieren, verarbeiten hochsensible Kinder Informationen viel gründlicher als andere Kinder. Von ihrem Umfeld werden hochsensible Kinder jedoch leicht übersehen, oft missverstanden, unterschätzt und als schüchtern eingestuft.
Typische Merkmale von Hochsensibilität
- Wenn Kinder kleine Veränderungen in ihrem Umfeld rasch wahrnehmen, kann das ein erstes Indiz für Hochsensibilität darstellen. Manche hochsensible Kinder bemerken beispielsweise bereits sehr leise Geräusche in der Wohnung, unterscheiden Geschmäcker bis auf kleinste Nuancen und nehmen Gerüche intensiver wahr.
- Hochsensible Kinder stellen sich bereits sehr bald tiefgründige Fragen zu altersuntypischen Themen, beispielsweise nach dem Sinn des Lebens oder nach dem Tod, und verfügen über ein früh ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden.
- Hochsensible Kinder sind detailverliebt, umsichtig, gewissenhaft und weisen perfektionistische Züge auf. Sie können sich in das Gefühlsleben ihrer Mitmenschen leicht hineinversetzen, besitzen einen klugen Sinn für Humor und ihr Wortschatz ist umfangreich.
- Hochsensible Kinder sind rasch von Lärm und Menschenansammlungen gestresst und beschäftigen sich lieber alleine. Sie klagen häufig über psychosomatische Beschwerden wie Bauchweh, Übelkeit und Kopfschmerzen.
Wie man mit hochsensiblen Kindern umgehen sollte
Reizüberflutung im Alltag ohne ausreichende Ruhepausen und ein verständnisvolles Umfeld kann bei hochsensiblen Menschen zu Herz-Kreislauf-Problemen, Gereiztheit, Erschöpfung und mitunter Depressionen führen. Eltern, Verwandte und erziehungsbeauftragte Personen können hochsensible Kinder mit folgenden Maßnahmen unterstützen:
- Feste Strukturen und Regeln geben hochsensiblen Kindern die nötige Sicherheit und den Halt, den sie benötigen, um eine für sie chaotische Welt einordnen zu können. Rituale wie gemeinsame Abendessen und dieselben zu-Bett-geh-Zeiten wirken beruhigend und schaffen Vertrauen.
- Weniger ist mehr: weniger Spielzeuge, Medien und Partys helfen bei der Reizverarbeitung, da von Anfang an weniger Reize auf ihr Gehirn einprasseln.
- Alleine sein ist in Ordnung. Nur weil sich hochsensible Kinder vermehrt zurückziehen und innerlich abschalten, sind sie nicht zwangsweise einsam. Sie benötigen diese Pausen, um sich regenerieren zu können.
- Nicht alles auf einmal: Ausflüge und Freizeitaktivitäten sind wichtig, sollten aber geplant und nicht spontan umgesetzt werden.
- Stärken loben fördert das Selbstbewusstsein und hilft dabei, dass sich das hochsensible Kind wertgeschätzt fühlt.
- Überforderung ab und zu ist notwendig, damit hochsensible Kinder Strategien entwickeln können, um mit ihrer Hochsensibilität auch in Situationen, die bei ihnen Stress auslösen, umgehen zu können.
Einmal hochsensibel, immer hochsensibel?
Da Hochsensibilität eine Folge eines sehr reizempfindlichen Nervensystems mit deutlich mehr Neurotransmittern ist und Filter, die normalerweise wichtige von unwichtigen Informationen voneinander trennen, die bei hochsensiblen Menschen aber nicht in derselben Form vorhanden sind, bleibt Hochsensibilität ein Leben lang bestehen. Mit der Zeit lernen besonders feinfühlige Kinder mit Reizüberflutung besser umzugehen und die speziellen Potenziale ihrer Neigung zu nutzen. Eine vielschichtige und fundierte Wahrnehmung bringt in vielen Fällen auch erhebliche Vorteile mit sich: Empathie und erhöhte Differenziertheit sowie Reflexionsfähigkeit machen hochsensible Menschen zu besonders guten Vertrauten und Freunden. Außerdem können ihre kreativen Gedankengänge und bohrenden Fragen zu neuen Lösungsvorschlägen für alltägliche Probleme beitragen.
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