Eine ausgewogene Ernährung, Sport und ausreichend Schlaf – viele Krankheiten können durch einen gesunden Lebensstil verhindert werden. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko hängt allerdings nicht immer vom eigenen Handeln ab – in manchen Fällen ist es genetisch vorbestimmt, ohne dass Betroffene darüber Bescheid wissen. Eine spezielle KI soll es nun ermöglichen, genetische Prädispositionen rasch zu ermitteln.
Genveränderungen als natürlicher Prozess
Im Verlauf unseres Lebens kommt es in unserem Erbgut oftmals zu Veränderungen. Was auf den ersten Blick alarmierend klingt, ist in Wahrheit ein natürlicher Prozess, der zumeist harmlos verläuft. Nur in seltenen Fällen können diese Veränderungen zu gesundheitlichen Komplikationen oder genetischen Erkrankungen führen.
Eine der verbreitetsten Genveränderungen ist die sogenannte Missense-Mutation. Hierbei handelt es sich um eine Veränderung des Erbgutes, die dazu führt, dass Proteine andere Aminosäuren enthalten als ursprünglich vorgesehen. Diese Mutation stellt ein natürliches Phänomen dar – laut Experten erfolgen in jedem menschlichen Organismus über 9.000 Genveränderungen dieser Art. Obwohl Missense-Mutationen im Allgemeinen als harmlos gelten und zumeist nur die Leistungsfähigkeit leicht einschränken, werden bestimmte Varianten dieser Genveränderung auch mit der Entwicklung von genetischen Erkrankungen assoziiert.
Sämtliche Missense-Mutationen erfasst
Um diese Mutationsform besser verstehen zu können, entwickelten Fachleute des Unternehmens Google DeepMind eine spezielle KI namens AlphaMissense. Durch diese Innovation ist es nun möglich, sämtliche Missense-Mutationen im menschlichen Organismus zu identifizieren und deren Gefahrenpotenzial einzuschätzen. Der Algorithmus basiert auf dem Programm AlphaFold – einem erfolgreichen KI-System, das die Struktur von Proteinen prognostiziert und somit sowohl die Arzneimittelforschung als auch biotechnologische Verfahren beschleunigt.
Bisher unbekannte Genveränderungen aufgedeckt
Auf Grundlage aller derzeit bekannten Eiweißstoffe im menschlichen Organismus sowie den rund 216 Millionen möglichen Veränderungen einzelner Aminosäuren ermittelte AlphaMissense insgesamt 71 Millionen potenzielle Missense-Mutationen. Das Forschungsteam betont, dass im Rahmen bisheriger Untersuchungen ohne KI lediglich 0,1 Prozent dieser Genveränderungen nachgewiesen werden konnten.
Gefahrenpotenzial ermittelt
Im Anschluss wurde die KI mit diversen Datenbanken trainiert, um mehr über die Veränderungen der Eiweißstrukturen und die damit einhergehenden Genmutationen zu lernen. Dadurch ist der Algorithmus nun dazu in der Lage, Missense-Mutationen einen Wert zwischen 0 und 1 zuzuordnen. Je höher dieser Wert ausfällt, desto eher besteht die Gefahr, dass die jeweilige Genveränderung Krankheiten hervorruft. Laut der KI könnte rund ein Drittel der 71 Millionen potenziellen Missense-Varianten die Entwicklung genetischer Erkrankungen begünstigen.
Datenbank frei abrufbar
Die Datenbank mit den 71 Millionen erfassten Genmutationen steht Forschern frei zur Verfügung. Die Entwickler hoffen, dass ihr KI-Modell zukünftig dazu beitragen könnte, die Entstehung seltener Erkrankungen besser zu verstehen und somit effektivere Behandlungen für Patienten ermöglicht.
Warum bestimmte Missense-Varianten die Entwicklung von Krankheiten begünstigen und andere nicht, kann die KI bislang jedoch nicht beantworten. Auch das tatsächliche Erkrankungsrisiko durch die als potenziell gefährlich eingestuften Genveränderungen bedarf weiterer Untersuchungen.
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