Neben den Impfungen liegt ein großer Forschungsschwerpunkt zur Bekämpfung der Pandemie in der Entwicklung einer wirksamen Therapie der Erkrankung Covid-19. Bisher konnten in diesem Bereich jedoch nur kleine Erfolge verzeichnet werden. Es fehlt ein Medikament, das einfach und sicher von Patienten zuhause eingenommen werden kann, um einen schweren Verlauf der Erkrankung zu verhindern. Als erstes Land hat nun Großbritannien die Pille mit dem Namen Molnupiravir für den Heimgebrauch zugelassen. Und auch andere Wirkstoffe, so etwa eine vom Pharmakonzern Pfizer entwickelte Tablette, werden aktuell geprüft.
Molnupiravir: „Gamechanger“ bringt große Hoffnungen
Therapien für Covid-19 verfolgen meist entweder einen antiviralen oder einen antiinflammatorischen, also entzündungshemmenden Ansatz. Zur ersten Gruppe zählt auch der Wirkstoff des Pharmaunternehmens Merck & Co., welches die Ausbreitung des Virus im Körper verhindert. Durch die Einnahme in der Frühphase der Erkrankung sollen schwere Verläufe somit verhindert werden. Das Besondere an dem neuen Mittel: Es wird als Tablette verabreicht und kann somit einfach vom Hausarzt verschrieben und zuhause eingenommen werden. Es unterscheidet sich somit von bisherigen Arzneien zur Covid-19-Therapie, da diese nur für die stationäre Behandlung vorgesehen sind. Ist ein Patient allerdings erst im Krankenhaus, ist die Phase, in der eine Verhinderung der Virenverbreitung im Körper sinnvoll ist, bereits vorüber. Die Erkrankung ist dann bereits zu weit fortgeschritten. „Deswegen können wir im ambulanten Bereich am meisten gewinnen – solange der Patient noch nicht richtig krank ist“, betont Stefan Kluge, Intensivmediziner am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg.
Gute Ergebnisse auch von Paxlovid
Molnupiravir, auch bekannt unter dem Namen Lagevrio, erzielte in der dritten Phase der Zulassung sehr gute Ergebnisse: In der klinischen Studie mit 775 Patienten halbierte das Medikament das Risiko für einen schweren Verlauf oder Tod, wenn es innerhalb der ersten fünf Tage der Erkrankung eingenommen wird, berichtet der Konzern Merck & Co. Die Studie wurde somit frühzeitig abgebrochen. Das ist in der Medikamentenentwicklung dann üblich, wenn ein unabhängiges Expertengremium die Zwischenergebnisse für so vielversprechend hält, dass es ethisch nicht vertretbar wäre, einer Gruppe der Studienteilnehmenden weiterhin das Placebo statt des Wirkstoffs zu geben. Auch das US-Pharmaunternehmen Pfizer will mit Paxlovid eine antivirale Covid-Pille auf den Markt bringen. Laut den Zwischenergebnissen der Zulassungsstudie hat dieses Präparat ebenfalls eine extrem hohe Wirksamkeit: Um ganze 89 Prozent reduzierte das Medikament das Risiko für einen schweren Verlauf oder Tod. Auch diese Studie wurde damit aufgrund der überwältigenden Ergebnisse frühzeitig gestoppt.
Nebenwirkungen noch unter Beobachtung
Was die Nebenwirkungen der Medikamente betrifft, so herrscht noch ein wenig Unklarheit. In der klinischen Erprobung traten zwar keine schwerwiegenden Beschwerden infolge der Einnahme auf. Allerdings wurden in Laborversuchen mit Molnupiravir geringe Veränderungen des Erbguts verzeichnet. „Die Dosis macht meistens das Gift“, bemerkt dazu aber Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing. In den Untersuchungen wären die Zellen über lange Zeit hohen Dosen ausgesetzt gewesen; das sei in der Realität nicht der Fall. „Um mögliche Nebenwirkungen sicher ausschließen zu können, werden die Probanden aber selbstverständlich weiter beobachtet,“ versichert Wendtner. Die erste Zulassung hat das Mittel bereits erhalten: In Großbritannien können Mediziner seit Anfang November das Medikament verschreiben. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) startete Ende Oktober ein sogenanntes Rolling-Review-Verfahren der Covid-Pille. Mit einer Zulassung sei aber frühestens Anfang kommenden Jahres zu rechnen.
Evusheld: Antikörper-Cocktail mit doppelter Wirkung
Schon Ex-US-Präsident Donald Trump bekam zur Behandlung seiner Covid-19-Erkrankung im Herbst 2020 verschiedene Antikörper verabreicht. Nun ist ein neuer Cocktail in der Erprobung: Unter dem Namen Evusheld kombiniert der internationale Pharmakonzern AstraZeneca zwei verschiedene Antikörper, die aus dem Blutserum Covid-19-genesener Personen gewonnen wurden. Doch anders als andere Antikörpermittel kann Evusheld nicht nur therapieren, sondern auch immunisieren. Der Hersteller berichtet, dass die Immunzellen im Labor so verändert wurden, dass die Schutzwirkung sechs bis zwölf Monate lang anhält. „Die Ergebnisse sind besonders interessant, weil wir damit endlich eine prophylaktische Therapieoption für all jene hätten, die sich trotz guten Willens nicht mit einer Impfung vor Covid-19 schützen könnten“, erklärt Clemens Wendtner. Dazu zählen zum Beispiel vorerkrankte Personen, die aufgrund eines komprimierten Immunsystems auch mit einer Impfung keine hinreichende Immunität entwickeln. Leider ist aber, wie auch bei anderen Antikörpermedikamenten, die Lagerung von Evusheld ein Problem. Somit kann es nicht ohne weiteres einfach in jeder Arztpraxis verabreicht werden.
Für alle Medikamente gilt, dass bisher nur Daten der Hersteller öffentlich sind; unabhängige Gutachten fehlen noch. Doch die Zwischenergebnisse sind vielversprechend. „Wir sind froh, diese neuen Therapien nun in der Pipeline zu haben“, sagt Hamburger Intensivmediziner Stefan Kluge, „und sind gespannt, was uns die nächsten Studien zeigen werden.“
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