In den meisten Fällen entsteht die Erkrankung Diabetes Typ 2 über einen längeren Zeitraum und verläuft symptomlos. Bereits seit mehreren Jahrzehnten sucht die Forschung nach den Ursachen der Krankheit. Neben einer genetischen Veranlagung erhöht vor allem ein ungesunder Lebensstil mit Übergewicht beziehungsweise Adipositas und Bewegungsmangel das Risiko daran zu erkranken. Deutsche Forscher haben nun eine weitere Ursache für die Entstehung der Erkrankung entdeckt.
8 Millionen Betroffene in Deutschland
Wie die gemeinnützige Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe in einem Artikel betont, gibt es in Deutschland aktuell etwa acht Millionen Menschen mit Diabetes. Da die Erkrankung erst spät Symptome zeigt, wissen etwa zusätzlich zwei Millionen Erkrankte nicht darüber Bescheid, dass sie an der Krankheit leiden. Innerhalb eines Jahres erkranken 12 von 1.000 Personen neu an der Zuckerkrankheit – das sind mehr als 600.000 Fälle pro Jahr. Sollte der Trend in diese Richtung weitergehen, wird bis zum Jahr 2040 die Zahl der Betroffenen auf bis zu 12 Millionen ansteigen. Um Diabetes-induzierte Organschäden besser verstehen zu können, konzentrierten sich die Forscher der Universität Heidelberg auf die genauen Ursachen, die letztendlich zu diesem Krankheitsbild führen.
Auf den Fisch gekommen
Um Diabetes besser zu verstehen, suchte das Forscherteam zuerst im Tierreich nach einer Antwort und fand sie in weit entfernten Gewässern: Der Mexikanische Tetra (Astyanax mexicanus), ein Süßwasserfisch, speichert nach periodischer Nahrungsaufnahme die Glukose im Blut, um so längere Phasen eines Nahrungsmangels zu überstehen. Schon in den vergangenen Jahren konnte Professor Dr. Jens Kroll vom European Center for Angioscience der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg nachweisen, dass Fische – ähnlich wie der Mensch – Diabetes-induzierte Organschäden ausbilden können.
Schutzmechanismus als Basis neuer Therapie
Für die Studie züchteten die Forscher speziell genetisch veränderte Zebrafische (Danio rerio) mit Änderungen im Glukose- und Insulinstoffwechsel, die auch beim Menschen Diabetes verursachen. Bei den Versuchstieren zeigten sich die typischen Veränderungen in den Blutgefäßen, Augen und Nieren – wie auch bei Personen, die von der Krankheit betroffen sind. Auf ihrer Suche nach molekularen Schaltern im Stoffwechsel des Zebrafischs, die sich möglicherweise zur Diagnostik und für neue Therapien des Diabetes nutzen lassen, haben die Wissenschaftler einen Schutzmechanismus entdeckt, der bei Deaktivierung die gleichen Folgen bei Fischen zeigte wie Typ-2-Diabetes in menschlichen Patienten.
Risikofaktoren der Diabeteserkrankung
Im Zentrum der Forschung von Professor Kroll steht neben den klassischen Risikofaktoren der Diabeteserkrankung wie Bewegungsmangel, falsche Ernährung und das Alter auch der Metabolismus (Stoffwechselwege) ganz oben auf der Liste, der unter anderem durch die Nahrungsaufnahme im Körper aktiviert wird. In den letzten Jahren wurde hier gezeigt, dass eine Reihe von ungewollten und teilweise problematischen Verbindungen entstehen, die im Organismus die Funktion der Proteine, Fette und des Erbguts (DNA) verändern können. Längerfristig kann diese Art der Veränderung zu verschiedenen Erkrankungen führen, wie auch Typ-2-Diabetes. Durch die Zuckerkrankheit kann es später zu einer diabetischen Retinopathie sowie diabetischen Nephropathie kommen, welche zu den mikrovaskulären Folgeschäden gehören. Im fortgeschrittenen Stadium können diese Krankheitsbilder sogar bis zur Erblindung und Dialysepflicht führen.
Aldehyde und Insulinresistenz lösen Krankheit aus
Auch sogenannte reaktive Aldehyde, die aufgrund ihrer chemischen Struktur sehr reaktionsfreudig sind, gehören zu den problematischen Verbindungen. Der Körper hat zwar vielfältige Schutzmechanismen entwickelt, um diese im Stoffwechsel gebildeten Aldehyde schnell abbauen zu können – jedoch können diese unter Umständen nicht mehr funktionieren. Für eine genauere Untersuchung dieses Vorgangs deaktivierten die Wissenschaftler im Zebrafisch das Enzym Akr1a1a, das im Normalfall das Aldehyd Acrolein unschädlich macht. Daraufhin zeigten die Tiere erhöhte Mengen an Acrolein und entwickelten Diabetes sowie diabetische Organschäden in Augen und Nieren. Als Ursache zeigte sich eine Insulinresistenz, wie sie auch bei Diabetikern auftritt.
Weitere Erforschung der Schutzsysteme notwendig
„Diese Erkenntnisse erweitern unser Verständnis zur Entstehung der Diabeteserkrankung wesentlich“, betont Kroll. Diese zeigen, dass neben den klassischen Risikofaktoren auch Veränderungen im Metabolismus eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Diabetes spielen. Ob sich die reaktiven Aldehyde auch als Biomarker zur Vorhersage der Krankheit und der späteren Ausprägung diabetischer Organschäden eignen, ist aber Gegenstand zukünftiger Forschungen. Darüber hinaus wollen die Fachleute aufklären, was einen Ausfall der Schutzsysteme bewirken kann. Auch soll geklärt werden, ob diese Schutzmechanismen oder reaktive Aldehyde für neue Ansatzpunkte in der Prävention und Therapie der Zuckerkrankheit beziehungsweise deren Folgeerkrankungen verwendet werden könnten.
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