Immer mehr Menschen leiden an Depressionen – nicht zuletzt wegen der anhaltenden Pandemie. Während schon diese Krise der mentalen Gesundheit ein großes Problem darstellt, sind ForscherInnen nun auf ein weiteres beunruhigendes Phänomen gestoßen: Depressive Menschen scheinen eher an Verschwörungstheorien über SARS-CoV-2 zu glauben, als solche ohne Depressionen.
Negative Gefühle werden oft als wichtiger empfunden
Viele Menschen schreiben negativen Gedanken, Überzeugungen und Geschichten einen größeren Wert zu als neutralen oder positiven. Dies könnte teilweise evolutionär bedingt sein, da es beispielsweise wichtig zu wissen war, welche Pflanzen genießbar und welche Wasserstellen verseucht sind. Ist beispielsweise jemand an einer giftigen Pflanze gestorben oder hatte starke Magen-Darm-Probleme nach dem Trinken aus einem verseuchten Wasserloch, mussten sich die Hinterbliebenen das gut merken. Der höhere Stellenwert von negativen Überzeugungen ist unter anderem auch der Grund dafür, warum Medien viel öfter über schlechte als gute Nachrichten berichten: „Bad News“ verkaufen sich besser. Bei depressiven Menschen ist der Stellenwert von Negativem noch höher, durch die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen fühlten sie sich in ihrem Gedankengut wohl auch bestätigt. Roy Perlis, Psychiater und Autor einer neuen Studie, vermutete daher, dass Menschen mit Depressionen anfälliger für Falschinformation über das Coronavirus und COVID-19 sein könnten.
20 Prozent glauben an Verschwörungstheorien
Perlis befragte über 15.000 StudienteilnehmerInnen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das eigene Leben. Unter anderem wurde auch ihre Meinung zu Falschinformationen abgefragt. Zum Beispiel ging es um Verschwörungstheorien, wie etwa dass Impfstoffe Mikrochips enthielten, die DNA verändern oder unfruchtbar machen würden. Fast jeder Fünfte stimmte zumindest einer der Falschinformationen zu. Zusätzlich erhob das Forschungsteam Daten zu Depressionen. Die WissenschaftlerInnen fanden dabei heraus, dass mehr als ein Viertel der Teilnehmenden zumindest depressive Symptome zeigte. Dass die Pandemie und die dadurch bedingten Lockdowns und Einschränkungen zu mehr Depressionen – insbesondere bei Älteren und Jüngeren – geführt hat, haben auch andere Studien schon gezeigt. Dadurch, dass Depressionen eine negative Weltsicht fördern, könnten sie eben auch dazu führen, dass Betroffene eher an Verschwörungstheorien glauben. So stimmten 30 Prozent der TeilnehmerInnen mit depressiven Symptomen zumindest einer der Falschinformationen zu – im Gegensatz zu rund 15 Prozent der Befragten ohne Depression.
Depression beeinflusst Einordnung von Falschinformation
Depressionen waren in der Studie der größte Einflussfaktor hinsichtlich des Glaubens an Verschwörungstheorien – sogar noch vor politischen Ansichten oder Arbeitslosigkeit. In einem zweiten Durchgang stimmten Menschen mit depressiven Tendenzen, die in der ersten Umfrage den Fehlinformationen noch keinen Glauben geschenkt hatten, diesen sogar doppelt so häufig zu. Es ist denkbar, dass Menschen, die in einer sehr negativen Gedankenwelt leben, auch in den sozialen Medien eher Negatives konsumieren. Dies geschieht zum Beispiel über Echokammern, in denen die eigene Meinung immer wieder bestätigt wird, weil nur Posts gezeigt werden, die der eigenen Weltsicht entsprechen. Gegenteilige Meinungen oder Informationen werden von den Algorithmen tendenziell ausgeblendet bzw. schlechter gereiht. Einen Zusammenhang konnten die ForscherInnen in dieser Studie jedoch nicht bestätigen: Der Glaube von Menschen mit Depressionen an die Falschinformationen war unabhängig von ihrem Vertrauen in Wissenschaft, Ärzte und staatliche Institutionen, ihren Informationsquellen für COVID-19-Nachrichten und dem individuellen Social-Media-Konsum.
Was meinen Sie?