Geschlossene Fitnessstudios, leere Schwimmhallen, Arbeit von zu Hause aus – die Corona-Pandemie wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf das tägliche Maß an Bewegung aus. Es erscheint daher nicht verwunderlich, dass bei zahlreichen Adipositas-PatientInnen die Kilos, anstatt zu purzeln, in die Höhe schnellen. Dies birgt, in Kombination mit COVID-19, immense Gefahren – vor allem für die jüngere Bevölkerung.
Ein dickes Problem mit Folgen
Die Anzahl der an schwerem Übergewicht Leidenden stieg in den letzten Jahrzehnten weltweit stetig an. Laut der Deutschen Adipositas Gesellschaft ist die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland zu dick, ein Viertel sogar krankhaft adipös. In Österreich ist jede zweite Person über 15 Jahren übergewichtig und jede dritte fettleibig. Selbst 25 Prozent aller Kinder werden als für ihr Alter übergewichtig eingestuft. Ab einem BMI-Wert von 25 gilt man als übergewichtig, adipös oder fettleibig ist man ab einem Wert von 30. Laut einer Kohortenstudie in „Lancet Diabetes & Endocrinology“ nimmt die Häufigkeit von Adipositas zwar erst mit dem Alter zu, dennoch entscheidet sich im frühen Erwachsenenalter, ob ein Mensch einmal an Übergewicht oder Fettleibigkeit leiden wird oder nicht.
Menschen, die stark übergewichtig oder adipös sind, werden in vielerlei Hinsicht marginalisiert oder können kaum bis gar nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben: Übergewichtige Kinder und Jugendliche werden oftmals schon in Kindergarten und Schule gemobbt, zudem wird ihnen auf Instagram und Co. ein idealisiertes und verzerrtes Körperbild anhand meist stark bearbeiteter Bilder vermittelt. Wenn bereits im Kindes- und Jugendalter keine gesunde Beziehung zu Körper, Essgewohnheiten und täglicher Bewegung etabliert werden kann, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dies auch im Erwachsenenalter nicht geschehen wird.
Verschärfte Lage durch Corona
Sowohl übergewichtige Kinder als auch Erwachsene legten während der Pandemie an Gewicht zu. Kinder, die bereits vor COVID-19 Adipositas hatten, nahmen durchschnittlich ca. vier Kilogramm zu. Bei den Erwachsenen beläuft sich die Gewichtszunahme im Schnitt auf fünf Kilo. Was für Außenstehende nicht gravierend erscheinen mag, hat in der Realität desaströse Auswirkungen. Im Zuge einer Studie, die von Forschenden der Universität in São Paulo durchgeführt wurde, konnten wertvolle Daten generiert werden. Es konnte festgestellt werden, dass sich Fettleibigkeit stärker auf schwere Verläufe und Sterblichkeit durch COVID-19 auswirkte als kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes. Bei jungen Menschen reichte Adipositas als alleiniger Faktor aus, um das Risiko für eine schwere Corona-Erkrankung zu erhöhen. Je adipöser die ProbandInnen waren, desto wahrscheinlicher wurde auch die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung und der Tod durch COVID-19.
Die Corona-Pandemie ist an diesen Entwicklungen insofern beteiligt, als dass es aufgrund von Schulschließungen und Homeoffice während der Lockdowns zu zusätzlichem Bewegungsmangel und erhöhtem Lebensmittelkonsum kam. Es blieb wenig Zeit sich intensiv mit Bewegung und Ernährung auseinanderzusetzen oder gesündere Essensgewohnheiten einzuführen. Frustration, Depression, häuslichem Stress sowie der Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, sollte in Form von Essen als Kompensationsversuch entgegengewirkt werden. Zudem mussten Operationen von Adipositas-PatientInnen aufgrund der Pandemie verschoben und Therapien über Telefon- und Videokonferenzen abgehalten werden, was ihre Effizienz in vielen Fällen beeinträchtigte.
Zukunftsaussichten
Ein Blick in die Zukunft lässt jedoch Hoffnung aufkommen, da auch innerhalb der COVID-19-Pandemie Initiativen ergriffen und somit positive Anreize gesetzt werden konnten. Die Österreichische Adipositas Gesellschaft lancierte beispielsweise gemeinsam mit InfluencerInnen eine Kampagne in den sozialen Medien, die das Thema Adipositas wieder stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft rücken und vor allem jungen Menschen Mut und Kraft geben sollte. Online-Workouts, die zu mehr Fitness und Bewegung animierten, wurden ebenfalls angeboten. Weiters ermöglichten die Online-Therapien der fettleibigen PatientInnen die Analyse ihrer Essensvorräte zu Hause. „Die Akzeptanz dieser Angebote war trotz vereinzelter Skepsis anfangs gut und stieg zwischen 2020 und 2022 deutlich an“, schilderte der Leiter des Adipositas-Zentrums am St. Georg, Arved Weimann. Menschen beweisen somit ein weiteres Mal, dass Flexibilität, Zusammenhalt und die Bereitschaft gemeinsam Veränderungen herbeizuführen, auch innerhalb einer Pandemie möglich sind.
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