Welche Faktoren beeinflussen die Ausbreitung des Coronavirus besonders stark? An der Beantwortung dieser Frage arbeiten viele Wissensschaffende seit Beginn der Pandemie. Ein Forschungsteam der Harvard University hat nun statistisch belegt, dass saisonale Veränderungen in der natürlichen UV-Strahlung die Verbreitung von COVID-19 beeinflussen: Die Infektionszahlen steigen demnach bei geringerem Lichteinfall. Jedoch ist der Effekt von social distancing, Maskentragen und Quarantäne bei Weitem größer als der des UV-Lichts.
UV-Werte beeinflussen die Ausbreitung von COVID-19
Von einigen anderen Viren wie den Influenza-Viren wissen die Forschenden über deren Saisonalität, was nahelegt, dass sich auch SARS-CoV-2 saisonbedingt besser beziehungsweise schlechter verbreiten könnte. Bisher waren die Daten dazu jedoch unzureichend und machten es außerdem schwierig, klimatische Variablen von anderen Treibern der Übertragung klar zu trennen. Eine US-amerikanische Studie nahm diese Variablen wie Temperatur, UV-Licht und Luftfeuchtigkeit genau unter die Lupe. Dazu untersuchte sie über 1 Million COVID-19-Fälle aus 173 Ländern von fünf Kontinenten. Diese wurden auch mit den jeweiligen ortsspezifischen Eindämmungsmaßnahmen und Teststrategien in Kontext gesetzt. Mit klarem Ergebnis: Es zeigte sich ein konsistenter Zusammenhang zwischen der jeweils vorherrschenden UV-Strahlung und dem Ausbreitungspotenzial von COVID-19. Dabei spielen Temperatur und spezifische Luftfeuchtigkeit jedoch offenbar eine untergeordnete Rolle. Statistisch gesehen sind sie nicht signifikant und eher unbedeutend.
Grund des Effekts noch unklar
Je höher die UV-Strahlung, desto geringer die Ausbreitung von COVID-19, soweit sind sich die Wissensschaffenden einig. Allerdings ist noch unklar, welcher Mechanismus für diesen Effekt verantwortlich ist. Es könnte die Tatsache sein, dass UV-Licht das Virus auf Oberflächen oder in Aerosolen zerstört. Dies belegen auch bereits einige Studien, wie etwa die der Vetmeduni Wien. Genauso könnte aber ausschlaggebend sein, dass die Menschen an sonnigen Tagen mehr Zeit draußen verbringen, wo die Ansteckungsgefahr geringer ist. Es sei sogar denkwürdig, dass das Sonnenlicht die Empfänglichkeit für das Coronavirus reduziere, indem es die körpereigene Vitamin-D-Produktion stimuliert und so das Immunsystem stärkt.
„Wir sind uns des UV-Effekts sicher, aber das ist nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes“, so Studienautorin Tamma Carleton. Denn wie man im Sommer in den USA gesehen habe, könne die UV-Strahlung alleine das Virus nicht eindämmen – nicht ohne strikte Regeln zum social distancing.
Weiterhin social distancing am wirkungsvollsten
Die neuen Erkenntnisse sind insbesondere relevant für die nördliche Hemisphäre: In den Monaten mit den niedrigsten UV-Werten war die Ausbreitungsrate um durchschnittlich sieben Prozent höher als in den Monaten mit der höchsten UV-Strahlung. Das bedeutet, dass sich COVID-19 besonders im dunkleren Winter schneller verbreitet. Für die Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen hat außerdem Bedeutung, dass gerade diese Zeit eben auch Grippezeit ist. Dadurch könnten viele Spitäler überlastet werden. Die Studienautoren hoffen, dass ein besseres Verständnis der Umweltfaktoren Hinweise für den zukünftigen Umgang mit dem Virus geben könnte – etwa, was mögliche saisonale Anpassungen der Eindämmungsmaßnahmen betrifft oder auch die Impfstrategie.
Hinweise für zukünftige Strategien
„Es gibt noch viel, was wir nicht wissen, inwiefern umweltbedingte Faktoren direkt oder indirekt – durch menschliches Verhalten – die Ausbreitung des Virus beeinflussen“, so Studienautor Huybers. Aufs Licht verlassen könne man sich also nicht. Aber dennoch ist die neue Erkenntnis ein weiterer wichtiger Schritt zum besseren Verständnis des Pandemiegeschehens.
Ob und inwiefern uns das Sonnenvitamin D vor Corona schützen kann, erklärt Dr. Weigl in diesem Video:
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