Die gesamte Welt fokussiert sich momentan auf den Fortschritt der Durchimpfungsrate bei COVID-19. Dadurch können andere Impfstoffe, die vor heiklen Krankheiten schützen, leicht in den Hintergrund der öffentlichen Debatte geraten. Die UNICEF (United Nations Children Emergency Fund) betont in einer aktuellen Pressemitteilung, dass 23 Millionen Kinder im Jahr 2020 elementare Routineimpfungen verpasst haben. Diese Zahl sei im Vergleich zum Jahr 2019 um weitere 3,7 Millionen angewachsen.
COVID-19 verstärkte ein bereits bestehendes Problem
Insgesamt erhielten bis zu 17 Millionen Kinder weltweit überhaupt keine Impfungen. Betroffen sind vor allem Regionen in Südostasien, Südosteuropa, sowie Lateinamerika. Solche Zahlen seien das Ergebnis von ökonomischer Ungleichheit und besorgniserregenden Situationen in Krisengebieten. Dadurch werde deutlich, dass ein Großteil der ungeimpften Kinder sich in marginalisierten Umgebungen befindet, wo der Zugang zu gesundheitlicher und sozialer Infrastruktur beschränkt ist. Der wichtige Schutz vor potenziell tödlichen Krankheiten wie Masern, Polio und Meningitis bleibe deswegen für viele Kinder aus.
„Schon vor der Pandemie gab es alarmierende Anzeichen dafür, dass wir bei der Immunisierung von Kindern gegen vermeidbare Kinderkrankheiten an Boden verlieren, unter anderem mit den weit verbreiteten Masernausbrüchen vor zwei Jahren. Die Pandemie hat die Situation weiter verschlimmert“, bestätigt auch die UNICEF Exekutivdirektorin Henrietta Fore.
Impfraten deutlich unter dem Sollwert
In den Jahren vor der COVID-19 Pandemie stagnierte laut WHO die weltweite Impfrate unter anderem gegen Keuchhusten, Tetanus und Masern bei ungefähr 86 Prozent. Der Wert liegt weit unter den empfohlenen 95 Prozent, die zu einem Schutz vor der Ausbreitung von Masern notwendig seien. Dabei handelt es sich um eine hochansteckende Infektionskrankheit, die das Immunsystem nach einer Ansteckung für sechs Wochen schwächt. Die Erreger können dadurch weiter in den Körper eindringen und beispielsweise Mittelohrentzündungen, Bronchitis und Lungenentzündungen auslösen. Auch gibt es Fälle, bei denen die Krankheit zu einer Hirnentzündung und Schädigung der Nerven führt. Tödliche Verläufe sind zwar eher selten, kommen aber immer wieder vor.
Fehlende Versorgung als wichtiger Faktor
Eine der Hauptursachen für die dramatische Abnahme der Impfungsraten ist das Fehlen von medizinischen Ressourcen. Impfprogramme wurden unterbrochen, da das entsprechende Fachpersonal in der Pandemie anderweitig eingesetzt werden musste. Gesundheitliche Dienstleistungen waren aufgrund von nicht verfügbaren Anlaufstellen und erschwerten Transportmöglichkeiten ein rares Gut. In vielen Staaten wurden Gesundheitszentren temporär sogar komplett geschlossen, was das Problem weiter verschlimmerte: „Die Zahlen sind alarmierend und deuten darauf hin, dass die Pandemie jahrelange Fortschritte bei Routineimpfungen zunichtemacht und Millionen Kinder der Gefahr ausgesetzt, sich mit tödlichen, vermeidbaren Krankheiten anzustecken“, ergänzt Dr. Seth Berkley, CEO der Impfallianz Gavi.
Auch HPV-Impfung betroffen
Schulschließungen haben auch die Impfungen gegen HPV (humane Papillomaviren) negativ beeinflusst. Der Impfstoff schützt Mädchen und Jungen präventiv vor einer Infektion, die später bei Frauen zum Beispiel Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Hier gibt es seit Längerem immer wieder Engpässe in der Verfügbarkeit entsprechender Vakzine. Im Jahr 2020 wurden lediglich 13 Prozent aller Mädchen gegen HPV geimpft, was einen Rückgang von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Eine Impfung kann bei einem Arzt für Kinder- und Jugendmedizin, dem Hausarzt oder einem Frauenarzt durchgeführt werden und sollte am besten im Alter von 9 bis 14 Jahren erfolgen.
Was meinen Sie?