Kürzlich wurde in dem medizinischen Fachblatt „BMJ“ eine neue Empfehlung bezüglich Darmkrebs-Screenings für Frauen herausgegeben. Das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) warnt jedoch nun vor Schäden durch diese Richtlinie.
Es drohen verheerende Folgen
Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebsarten in Deutschland. Laut Fachleuten könnte eine Vielzahl Erkrankungen jedoch vermieden werden, wenn regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen würden. Anfang Oktober erschien in der Fachzeitung „BMJ“ eine neue Empfehlung zu Darmkrebs-Screenings. Dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS zufolge ist die Kernaussage der Empfehlung, dass nur diejenigen Personen ein Screening vornehmen lassen sollten, die mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens drei Prozent innerhalb der nächsten 15 Jahre Darmkrebs bekommen. Indirekt wird somit der Mehrzahl der Frauen von einem Screening abgeraten, obwohl dessen Vorteile belegt sind.
In den meisten aktuellen Richtlinien zur Darmkrebsprävention wird die Maßnahme für Männer und Frauen ab 50 Jahren empfohlen. Laut den Angaben liegt dem zugrunde, dass Darmkrebs sich sehr langsam entwickelt. Das Screening verhindert somit die Krebserkrankung, die erst viele Jahre später auftreten würde. Die Methodik zur Entwicklung der BMJ-Empfehlung wich von diesen Erkenntnissen jedoch ab: Ein Gremium von 22 Personen wurde um eine Einschätzung gebeten, wie groß der Nutzen des Screenings sein müsse, damit die meisten Menschen sich dafür entscheiden. Antwortmöglichkeiten gab es dafür aber nur extreme. Auf Grund dessen wurde die Schwelle am Ende sehr hoch angesetzt, sodass äußerst restriktive Empfehlungen veröffentlicht wurden. In der Praxis raten sie der Mehrzahl der Frauen von der Präventionsmaßnahme ab, die Anwendung ist den älteren Personengruppen vorbehalten.
Prävention ist essenziell
Für Darmkrebs gibt es im Gegensatz zu anderen Krebsarten effektive Möglichkeiten der Früherkennung. Davon abzuraten, ist paradox. 45 Prozent der Darmkrebspatienten in Deutschland sind weiblich. Mit einem Darmkrebs-Screening könnte der Krebs bei ihnen rechtzeitig erkannt und behandelt werden bzw. würde gar nicht erst auftreten. Doch dafür muss die Erkrankung im frühen Stadium diagnostiziert werden. Je später sich die Frauen der Präventionsmaßnahme unterziehen, desto geringer ist ihre Chance auf Heilung.
Das Gremium des BMJ hat den Nutzen, keinen Darmkrebs zu bekommen, dem Nutzen, nicht an Krebs zu sterben, gleich bewertet. Darüber hinaus muss man zuerst in Erfahrung bringen, ob ein erhöhtes Risiko besteht innerhalb der nächsten 15 Jahre an Darmkrebs zu erkranken, bevor das Screening vorgenommen wird. Die aktuellen Prognosemodelle sind allerdings noch stark mangelhaft. Circa zwei Dritteln der Frauen, die in den folgenden fünf Jahren Darmkrebs entwickeln, erhalten fälschlicherweise eine unauffällige Diagnose – und damit automatisch den Ratschlag kein Darmkrebs-Screening durchführen zu lassen.
Die Studienautoren unterstreichen, dass es sich bei den neuen Richtlinien nur um Empfehlungen handelt und die Patienten stets im ärztlichen Gespräch zu einer individuellen Entscheidung gelangen. Nichtsdestotrotz könnten die aktuellen Leitlinien Verunsicherung stiften und dafür sorgen, dass mehr Frauen sich gegen ein Darmkrebs-Screening entscheiden – mit gefährlichen Folgen.
Programm für die Früherkennung
Das organisierte Darmkrebs-Screening umfasst folgende Untersuchungsangebote: Zwischen dem 50. und 54. Lebensjahr wird ein immunologischer Test (iFOBT) auf occulte (nicht sichtbare) Blutspuren im Stuhl vorgenommen. Männer älter als 50 Jahre haben Anspruch auf zwei Früherkennungskoloskopien (Darmspiegelungen) im Abstand von mindestens zehn Jahren. Wird dies erst ab dem 65. Lebensjahr vorgenommen, besteht Anspruch auf eine Früherkennungskoloskopie.
Frauen können ab dem 55. Lebensjahr zwei Früherkennungskoloskopien im Mindestabstand von zehn Jahren fordern. Auch bei ihnen besteht Anspruch auf eine Darmspiegelung, wenn das Angebot erst ab dem 65. Lebensjahr wahrgenommen wird. Ebenfalls ab dem 55. Lebensjahr können sowohl Männer als auch Frauen alle zwei Jahre einen immunologischen Test (iFOBT) nutzen, jedoch nur solange noch keine Früherkennungskoloskopie durchgeführt wurde. Bei einer auffälligen Stuhlprobe besteht zusätzlich Anspruch auf eine Abklärungskoloskopie.
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