Rund 40 Jahre gehen Deutsche im Schnitt einer Berufstätigkeit nach. Um eine erfüllte Karriere sicherzustellen, spielen neben finanziellen Aspekten auch persönliche Interessen eine ausschlaggebende Rolle. Die Bedeutung geistig stimulierender Tätigkeiten am Arbeitsplatz wurde nun im Rahmen einer internationalen Studie hervorgehoben. Ein Expertenteam belegte, dass anspruchsvolle Arbeitsaufgaben Demenzerkrankungen maßgeblich entgegenwirken können.
Mangel an eindeutigen Studien
Dass Demenz durch mentale Stimulation vorgebeugt werden kann, wird in Forschungskreisen schon länger spekuliert. Viele Neurologen gehen davon aus, dass geistige Abwechslung die Synapsenbildung im Gehirn anregt. Somit würden neue Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen, die kognitive Leistungsstärke fördern. Trotz dieser weitverbreiteten Annahme sehen sich die Befürworter dieser These mit widersprüchlichen Studienergebnissen konfrontiert. Beispielsweise existieren Langzeitstudien, die keine Korrelation zwischen mental anspruchsvollen Freizeitaktivitäten und einem verringerten Demenzrisiko feststellen konnten.
Welche Rolle spielt der Berufsalltag?
Da das kognitive Leistungspotenzial bei der Arbeit länger gefordert wird als bei Freizeitaktivitäten, beschlossen Mediziner des schwedischen Karolinska Institutes der Rolle des Berufsalltags in diesem Kontext auf den Grund zu gehen. Um einen potenziellen Zusammenhang zu entdecken, analysierten Forscher bestimmte Plasmaproteine, welche die Bildung neuer Neuronenverbindungen im Gehirn hemmen. Die Forscher gingen davon aus, dass ein durch geistige Stimulation reduzierter Anteil dieser Eiweißstoffe das Demenzrisiko reduzieren könnte. Das aktuelle Projekt wurde hierbei durch Ergebnisse aus bereits durchgeführten Studien unterstützt, die sich mit Assoziationen zwischen arbeitsbezogenen Faktoren und chronischen Erkrankungen beschäftigten.
Faktoren am Arbeitsplatz berücksichtigt
Zu Beginn der Studie erfassten die Forscher die kognitiven Anreize am Arbeitsplatz. Anschließend wurden die Probanden über einen Zeitraum von durchschnittlich 17 Jahren medizinisch beobachtet, um demenztypische Symptome rechtzeitig festzustellen. Während herausfordernde Aufgaben und ein hohes Maß an Eigenverantwortung als kognitiv anregend eingeschätzt wurden, galten anspruchslose Tätigkeiten mit geringen Erwartungshaltungen als das Gegenteil.
Vielfältige Zusammenhänge untersucht
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes führten die Wissenschaftler mehrere Experimente durch. Anhand von 107.896 Probanden im durchschnittlichen Alter von 42 Jahren analysierten die Experten eine mögliche Verbindung zwischen kognitiven Anreizen und dem Demenzrisiko. Zudem wurden potenzielle Korrelationen zwischen geistigen Aktivitäten und Veränderungen der Proteinkonzentration in Betracht gezogen. Für diese Untersuchung erklärten sich 2.261 Versuchspersonen bereit. Darüber hinaus wurde an 13.656 Testpersonen untersucht, inwieweit die analysierten Proteine das Demenzrisiko beeinflussen.
Mentale Bereicherung hemmt kognitiven Verfall
Im Verlauf der Datenevaluierung kamen die Mediziner zu der Erkenntnis, dass kognitiv geforderte Mitarbeiter ein niedrigeres Demenzrisiko aufwiesen als jene Arbeitnehmer, die regelmäßig monotone Aufgaben erledigten. Hinsichtlich dieser Korrelation stellte sich weder Geschlecht noch Alter als relevanter Faktor heraus. Geistige Beanspruchung wurde außerdem mit einer niedrigen Konzentration von drei bedeutenden Proteinen in Verbindung gebracht. Obwohl diese Eiweißstoffe eine zentrale Aufgabe bei der Flüssigkeitsverteilung im Körper übernehmen, beeinträchtigen sie dennoch die Synapsenbildung im Gehirn und erhöhen folglich wie angenommen das Demenzrisiko. Dem Forschungsteam zufolge könnte dieser Sachverhalt signifikante Hinweise auf zugrundeliegende physische Mechanismen liefern, die bei der Demenzprävention eine wichtige Rolle spielen könnten.
Appell an die Demenzforschung
Obwohl sich die Experten mit den erzielten Resultaten zufrieden zeigen, betonen sie dennoch, dass es sich hierbei lediglich um eine Beobachtungsstudie handelt. Eine eindeutige Kausalität konnte somit nicht ermittelt werden. Außerdem bestehe das Risiko, dass gewisse externe Demenzfaktoren bei den Experimenten nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Studienautor Serhiy Dekhtyar wendet sich mit eher kritischen Worten an die Mediziner seines Forschungsbereichs: „Diese neue Arbeit ist eine wichtige Erinnerung für alle, die sich mit Demenzprävention befassen, dass wir mit kurzen, späten und kleinen Interventionsstudien, die nur Menschen mit heterogenen Risikoprofilen einschließen, nicht viel erreichen können, um einen Nutzen der geistigen Bereicherung für das Demenzrisiko aufzuzeigen.“
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