Sauberkeit und Hygiene im Kindesalter wird von vielen Eltern sehr ernst genommen – vor allem zu Zeiten einer Pandemie. Laut gängigen Theorien soll der übermäßige Fokus auf Hygiene allerdings zu einer Schwächung des frühkindlichen Immunsystems führen, weil der Kontakt mit wichtigen Allergenen fehlt. Wissenschaftler der London School of Hygiene sind dieser Behauptung in einer kürzlich veröffentlichten Studie näher auf den Grund gegangen. Das Ergebnis: Es besteht kein starker Zusammenhang zwischen der Sauberkeit im Haushalt und einer schwächeren frühkindllichen Immunität.
Natur liefert mehr Schutz als die Wohnung
Seit dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie ist das menschliche Immunsystem zu einem öffentlich viel diskutierten Thema geworden. Laut einer neuen Studie sollen Kinder hauptsächlich durch ihr angeborenes frühkindliches Immunsystem vor drastischen Verläufen einer COVID-19-Erkrankung geschützt sein. Doch wie viel Einfluss können die eigenen vier Wände auf die Stärke der Immunität haben? Die beteiligten Forscher, die sich dieser Frage gewidmet haben, heben hervor, dass der Kontakt mit Mikroorganismen und Mikroben zur Herausbildung des Immun- und Stoffwechselsystems essenziell ist. Allerdings zählen moderne Haushalte aufgrund der sehr oft synthetischen Baumaterialien nicht zu den Orten, wo Kinder in der Regel Kontakt mit wichtigen Allergenen haben. Viel eher findet man diese an naturbelassenen Standorten in ländlichen Gebieten, beispielsweise in der Nähe von Wäldern. Innerhalb des urbanen Wohnraums liegen stattdessen öfter bakterielle Mikrobiota vor, die ganz und gar nicht gesundheitsfördernd für Kinder sind und im schlimmsten Fall diverse Arten des „Sick Building Syndroms“ hervorrufen können. Deswegen seien strikte Hygiene im Haushalt sowie das regelmäßige Aufhalten in der Natur die essenziellsten Bausteine für eine gesunde Entwicklung des kindlichen Immunsystems.
Kontakt mit Eltern spielt große Rolle
Mikrobiota, die Kinder vor heiklen Erkrankungen schützen, werden vor allem durch den direkten Kontakt mit den Eltern herausgebildet. Dabei spielt die Mutter-Kind-Beziehung eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Immunität. Es ist beispielsweise bekannt, dass fehlendes Stillen bzw. eine wenig ausgeprägte Intimität zwischen Mutter und Kind mit immunregulatorischen Störungen des Kindes zusammenhängen. Genauso wichtig sei laut Studien auch der Kontakt mit anderen Kindern und Erwachsenen außerhalb des eigenen Zuhauses. Die Kombination dieser Faktoren sei insgesamt viel effektiver als die reine Exposition im Eigenheim.
Schützen Infektionen vor Allergien?
Eine weitere verbreitete These ist, dass die Infektion mit gängigen Keimen, die meist durch Familienangehörige übertragen werden, dafür sorgt, dass das Kind resistenter gegen Allergien ist. Folglich wären Hygienemaßnahmen dafür verantwortlich, dass Kinder ein höheres Risiko haben, Allergiker zu werden. Auch dafür fanden die Forscher keinerlei Beweise. Es sei unwahrscheinlich, dass Menschen von diesen Infektionen abhängig sind, da sie während der Evolution nicht präsent waren. Hygiene im Haushalt hat also prinzipiell nichts mit der Entwicklung von Allergien zu tun. Nichtsdestotrotz können manche Infektionen durchaus zu einer Resistenz gegenüber anderen Infektionen führen. Diese Herangehensweise wird aber vor allem bei potenziell tödlichen Krankheiten wie Masern als sehr risikoreich eingestuft. Aus diesem Grund ersetzen Impfstoffe in den meisten Fällen die Notwendigkeit einer Infektion und wirken dabei oft deutlich effizienter.
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