Neben all den gesundheitlichen Schäden einer Infektion mit Covid-19 hinterlässt die Pandemie auch bei bisher Gesunden diverse Beschwerden. Depressionen sind auf einem neuen Hoch und auch die Psyche der Jüngsten scheint nicht immun gegen die Auswirkungen der Beschränkungen zu sein: Aktuelle Studien zeigen einen beunruhigenden Anstieg an Fällen der Essstörung Anorexia nervosa.
Was ist Anorexia nervosa?
Anorexia nervosa ist eine der bekannteren und häufiger auftretenden Essstörungen – insbesondere bei weiblichen Jugendlichen. Das Hauptsymptom ist eine krankhafte Angst vor Gewichtszunahme, sodass die Betroffenen auf Nahrung verzichten oder diese kurz nach einer Mahlzeit erbrechen. So kommt es oft zu einem rapiden und ungesunden Gewichtsverlust. Außerdem können Betroffene unter einer verzerrten Selbstwahrnehmung leiden: Sie sehen sich als dicker, als sie eigentlich sind.
Sprunghafter Anstieg an Fällen
Eine kanadische und eine australische Studie zeigen, dass Anorexia nervosa bei Kindern stark zugenommen hat – und zwar mit Beginn der Pandemie. Ärzte des Kinderspitals in Montreal, Kanada, analysierten die Daten von einigen der größten Gesundheitseinrichtungen im Land, die 90 Prozent der jugendlichen Patienten mit Essstörungen behandeln. Bei der Analyse stießen die Ärzte auf einen sprunghaften Anstieg der jungen Patienten mit Anorexia nervosa. In den fünf Jahren vor der Pandemie waren im Schnitt 25 neue Patienten pro Monat behandelt worden – mit Anbruch der Corona-Pandemie waren es plötzlich über 40. Auch schwere Erkrankungen, die zu einer stationären Aufnahme in das Spital führen, haben zugenommen: Knapp acht neue Patienten pro Monat wurden zu über 20.
Größerer Gewichtsverlust & mehr Betroffene
Die Erkrankung scheint auch schneller voranzuschreiten und schlimmer zu verlaufen, wie das kanadische Ärzteteam herausfand: Der Gewichtsverlust betrug im Durchschnitt rund 19 statt vormals 17,5 Prozent des Körpergewichts und die mittlere Herzfrequenz war auf 57 statt 63 Schläge pro Minute gesunken. Forscher eines Kinderspitals in Melbourne, Australien, machten ähnliche Beobachtungen. Sie betonen, dass keine andere Stadt Australiens so hart von Lockdowns und restriktiven Maßnahmen getroffen worden sei wie Melbourne und sehen eine Korrelation mit dem Anstieg an Essstörungen bei Jugendlichen. Diese waren vor der Pandemie sogar rückläufig, stiegen dann aber schnell wieder an. Sie erhöhten sich plötzlich von rund 99 Fällen jedes Jahr auf 167 im Jahr 2020. Bei über 40 Prozent der Patienten nannten Ärzte die Pandemie-bedingten Einschränkungen als Hauptgrund für die Essstörung.
Auch Depressionen auf dem Vormarsch
Schlag auf Schlag war alles anders. Die Welt stellte vieles ein, was vor der Pandemie selbstverständlich schien: Kontakte mit anderen, Reisen, Gruppensport und vieles mehr. Darunter haben alle gelitten, die Jüngsten und Ältesten hat es möglicherweise aber am härtesten getroffen. Die arbeitende Bevölkerung natürlich auch, viele konnten jedoch entweder mit Einschränkungen weiterarbeiten oder in das Home Office wechseln. Eine kanadische Studie zeigte allerdings, dass rund ein Fünftel der Älteren nach Beginn des ersten Lockdowns depressive Symptome zeigten. Diese blieben, auch nachdem die Maßnahmen wieder gelockert worden waren. Bei Kindern und Jugendlichen dürfte es ähnlich sein: Sie sind in einem Alter, in dem soziale Kontakte extrem wichtig für die Entwicklung sind, durften plötzlich aber weder Freunde treffen, noch physisch die Schule besuchen. Ob die Zunahme an Anorexia nervosa von den Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus stammt, ist ungewiss, jedoch deutet einiges darauf hin.
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