Zwischen 13 und 22 Millionen Menschen. So hoch schätzen Experten die Zahl derer, die opioidabhängig sind. Diese Sucht zeigt sich meist in Form von Heroinabhängigkeit. Das Hormon Cortisol könnte nun Heroinsüchtigen beim Entzug helfen.
Heroin hat sehr hohes Abhängigkeitspotenzial
Heroinsüchtige sind besonders anfällig für Rückfälle und verlieren oft völlig die Kontrolle über ihren Drogenkonsum. Damit einher geht das Risiko einer Überdosis, aber auch einer erhöhten Ansteckungsgefahr mit HIV, Hepatitis-C oder lebensgefährlichen Infektionen. Süchtige ziehen sich meist aus der Gesellschaft zurück, werden gewalttätig oder kriminell.
Der Entzug ist hart und die meisten sind nicht lange clean. Gute Erfolge erzielte man mit heroinähnlichen Stoffen, wie zum Beispiel dem pharmazeutischen Heroin Diacetylmorphin. Das wirkt sich bei manchen Patienten positiv aus, indem es das Verlangen nach Heroin senkt. Bei anderen Patienten zeigt diese Art der Therapie aber wenig Wirkung.
Cortisol hemmt Gedächtnisabruf
Nun haben die Wissenschaftler um PD Dr. Marc Walter und Professor Dominique de Quervain von der Universität Basel bereits in früheren Untersuchungen herausgefunden, dass das Hormon Cortisol das Gedächtnis schwächt. Erinnerungen lassen sich nach der Einnahme von Cortisol also schlechter abrufen. Bei Patienten mit Angsterkrankungen wird es schon erfolgreich eingesetzt, um das Angstgedächtnis der Betroffenen zu hemmen.
Die Forscher vermuteten, dass sich Cortisol auf die gleiche Art auf das Suchtgedächtnis von Abhängigen auswirken könnte und haben in einer vor kurzem im Fachmagazin „Translational Psychiatry“ veröffentlichten Studie diese Wirkung bei 29 Patienten untersucht.
Suchtverlangen mit Cortisol um 25 Prozent niedriger
Die Probanden befanden sich alle in einem Therapieprogramm des JANUS Behandlungszentrums der Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel. Die Behandlung umfasst die Vergabe von pharmazeutischem Heroin zwei Mal am Tag und eine psychosoziale und medikamentöse Betreuung. Insgesamt nahmen sieben Frauen und 22 Männer an der Studie teil, die meisten konsumierten Heroin schon länger als 23 Jahre.
Eine Gruppe der Teilnehmer erhielt vor der Abgabe des pharmazeutischen Heroins eine Tablette mit Cortisol, die andere ein Scheinpräparat. Die Forscher konnten feststellen, dass die Einnahme von Cortisol zu einem 25-prozentigen Abschwächung des Suchtverlangens, im Vergleich zum Scheinpräparat, führte. Neben anderen Tests, wie der Bewertung von Bildern die in Zusammenhang mit Drogen oder Drogenkonsum standen, mussten die Teilnehmer auf einer „Visuellen Analogskala“ (VAS) die Stärke ihres Suchtverlangens eintragen. Die VAS Skala dient zur Messung von subjektiven Empfindungen.
Hilft Cortisol auch im Alltag?
Die Abnahme des Verlangens nach Heroin mithilfe von Cortisol konnte aber nur bei Abhängigen festgestellt werden, die eine relativ niedrige Dosis Heroin zum Befriedigen ihrer Sucht brauchen. Bei schwer süchtigen Patienten zeigte diese Art der Therapie nicht die gleiche Wirkung.
Wie alltagstauglich die Therapie ist, ist noch nicht klar. „Deshalb möchten wir untersuchen, ob Cortisol den Patienten hilft, die Heroindosis zu reduzieren oder länger von Heroin abstinent zu bleiben“, sagt Marc Walter, Chefarzt an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel in einer Presseaussendung der Klinik. Weitere Studien sind aber bereits geplant.
Die Ergebnisse der Studie könnten sich auch auf die Behandlung von Alkohol-, Spiel-, oder Nikotinsucht auswirken, denn Cortisol könnte hier ebenso hemmend wirken, erläutert Dominique de Quervain, Direktor der Forschungsplattform Molecular and Cognitive Neurosciences der Universität Basel.
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