Keine Frau, die die Antibabypille nimmt, bekommt ihre Periode. Dieses Statement mag bei einigen zu Misstrauen führen, beinhaltet doch jeder weibliche Zyklus, unabhängig davon, ob hormonell verhütet wird oder nicht, eine Menstruationsblutung. Die wenigsten wissen, dass es sich dabei um einen Mythos handelt: Die künstlich herbeigeführte Periode ist nicht nur medizinisch sowie pharmazeutisch unnütz, sondern ist in Wahrheit eine Hormonentzugsblutung, die mit der „echten“ Regel so gut wie gar nichts gemein hat. Warum empfehlen so viele GynäkologInnen dennoch die Pillenpause, wenn es sich dabei doch nur um eine Fake-Menstruation handelt?
Periode trotz Pille?
Die Antibabypillen, die heutzutage von FrauenärztInnen verschrieben werden, sind meist monophasische Kombinationspillen, auch Mikropillen genannt, die die weiblichen Hormone Östrogen und/oder Gestagen enthalten und bei der Verwenderin einen künstlichen weiblichen Zyklus herbeiführen. Betroffene Frauen nehmen für gewöhnlich 21 Tage lang je eine Tablette ein: Die tägliche Hormonzufuhr während dieser drei Wochen verhindert den Follikelsprung sowie das Heranreifen der Eizelle, die beim ungeschützten Geschlechtsverkehr befruchtet werden und zur Ausbildung einer Schwangerschaft führen könnte. Anschließend kommt es zur Einnahme von sieben Placebo-Pillen oder einer Einnahmepause, die die vermeintliche Regelblutung initiiert. Die auftretende Blutung ist aber keine gewöhnliche Menstruation, sondern nur eine sogenannte Hormonentzugs- oder Abbruchblutung, auch Pseudomenstruation genannt.
Während eines „natürlichen“ weiblichen Zyklus baut sich über etwa drei Wochen eine immer dicker werdende Gebärmutterschleimhaut auf. Erfolgt keine Befruchtung, lässt das unbefruchtete Ei den Östrogenspiegel absinken, wodurch die Gebärmutterschleimhaut abgebaut und die Monatsblutung ausgelöst wird. Durch die Einnahme der Pille sowie der darauffolgenden siebentägigen Hormonpause kommt es hingegen zu einem künstlichen Stopp, der ebenfalls eine Blutung induziert. Deren Beschaffenheit ist jedoch gänzlich anders als die Schleimhaut, die sich auf natürliche Art und Weise bildet. Es handelt sich also lediglich um eine Nachahmung des weiblichen Zyklus.
Warum Frauen die Pillenpause einhalten
Dass Frauen trotz der Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln jeden Monat bluten, „bringt, medizinisch betrachtet, keinen Nutzen“, so die Hamburger Hormonspezialistin und Gynäkologin Dr. med. Katrin Schaudig. Im Gegenteil: In Hinblick auf die Sicherheit, seien insbesondere die Tage rund um die Pillenpause kritisch, da es zu einer Unterbrechung der Routine kommt und das Risiko für Frauen, die Pille einmal zu vergessen, ansteigt. In vielen Fällen beeinträchtigt das einmalige Aussetzen der Pille bereits ihre Zuverlässigkeit. Zudem kann die Hormonentzugsblutung Infektionen begünstigen, da Erreger dadurch leichter in den menschlichen Organismus eindringen können.
Wozu lassen Frauen die Pseudomenstruation, die bei vielen aufgrund der kontinuierlichen Störung des Hormonhaushalts nach wie vor mit physischen sowie psychischen Beeinträchtigungen einhergeht, also über sich ergehen? Warum entscheiden sie sich nicht für den Weg des Langzyklus, bei dem die Pille 28 Tage ohne Pause eingenommen wird und der sogar vom Berufsverband für Sexualgesundheit in Großbritannien sowie dem Berufsverband für Frauenärzte in Deutschland empfohlen wird?
Hierfür gibt es zwei Gründe: einen historisch-politischen sowie einen wirtschafsökonomischen. Für ersteren lohnt sich ein Exkurs in die 1950er Jahre, als die 21+7 Einnahmeregel eingeführt wurde. „John Rock hat die Pause entwickelt, weil er gehofft hat, dass der Papst dann die Pille akzeptieren würde und sie so von Katholikinnen genommen werden könnte“, so der Gynäkologe John Guillebaud. Mit dem 21-Tage-Zyklus und der Abbruchsblutung sollte die Methode der Empfängnisverhütung theologisch gerechtfertigt werden, da sie der „natürlichen“ Empfängnisverhütung, der sogenannten „rhythm method“, ähnelte, die die Kirche akzeptierte. Sein Ziel erreichte Rock jedoch nicht, denn bis heute steht die katholische Kirche der Antibabypille kritisch gegenüber.
Obgleich die Mehrheit der Gesellschaft die Pille heutzutage akzeptiert und Pharmaunternehmen somit keinem Legitimationsdruck mehr ausgesetzt sind, stehen wie so oft neben ideologischen und moralischen Vorstellungen auch ökonomische Interessen im Vordergrund. Eine Etablierung des Langzyklus wäre für HerstellerInnen eigentlich ein Vorteil, da es so zum Verkauf von mehr Pillenpackungen und in weiterer Folge zu höheren Umsätzen kommen könnte. Die Kehrseite dabei: Um eine Pille im Langzyklus anbieten zu dürfen, muss zuerst der daraus resultierende Zusatznutzen in Form groß angelegter Studien nachgewiesen werden. Solche Untersuchungen nehmen eine Menge Zeit in Anspruch und kosten Geld – somit verzichtet man lieber auf sie. Hinzu kommen ProduzentInnen und VertreiberInnen von Menstruationsartikeln und Hygieneprodukten, die aufgrund der Tatsache, dass Frauen trotz Pilleneinnahme von Tampons, Binden, Menstruationstassen, etc. Gebrauch machen müssen, Profit schlagen.
Nie wieder sinnlos bluten
Der Langzyklus bietet, abgesehen von der Reduktion des Schwangerschaftsrisikos, sogar noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile. ExpertInnen befürworten die Unterdrückung der Periode bei zyklusabhängigen Erkrankungen wie z.B. Endometriose (Wucherungen von Gebärmutterschleimhaut in der Gebärmutterwand oder außerhalb davon), bei Myomen (gutartigen Muskeltumoren der Gebärmutter) oder bei vermehrten Zysten (Polyzystisches Ovar-Syndrom).
Das sogenannte Prämenstruelle Syndrom (PMS) kann durch die stetige Einnahme der Pille gelindert oder sogar beseitigt werden, ebenso Migränebeschwerden oder starke Stimmungsschwankungen. Zusätzlich kann beugt der konstante Hormonspiegel beim Durchnehmen der Pille chronischen Krankheiten vor. Darunter fallen z.B. Depressionen, Epilepsie, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus Typ I sowie die Parkinson-Krankheit.
Der Langzyklus stellt letzten Endes eine Option für Frauen dar, die schlicht und einfach keine Lust mehr auf Menstruationsblutungen ohne Sinn und Zweck haben. Um diesen Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit jedoch zu gewähren, benötigt es vor allem eines: Aufklärung.
Was meinen Sie?