Die Darmflora gesund zu halten ist für unser Wohlbefinden sehr wichtig. Eine große Rolle spielt dabei die Ernährung – das zeigten nun auch Analysen antiker Stuhlproben.
Gleichgewicht der Bakterien
Das Darmmikrobiom, auch Darmflora genannt, beschreibt die Gesamtheit der im Darm vorhandenen Bakterien. Diese verrichten dort nützliche Arbeit: Sie helfen uns dabei unser Essen zu verdauen und wichtige Nährstoffe aufzunehmen. Dabei ist das Gleichgewicht der dort lebenden Mikroorganismen entscheidend: Hat man zu viele von der einen oder zu wenige von der anderen Spezies, können im schlimmsten Fall Krankheiten entstehen. Eine ausgewogene Ernährung ist daher wichtig, um die Bakterien-Balance zu erhalten. Außerdem ist inzwischen bekannt, dass einige Lebensmittel der Darmflora sogar direkt schaden können: Verarbeitetes Fleisch oder Zucker fördern etwa schädliche Bakterien im Darm. Ballaststoffe hingegen, die beispielsweise in Gemüse und Hülsenfrüchten zu finden sind, sind essenziell für eine gesunde Darmflora.
Mehr Diabetes-Diagnosen in Industrieländern
Ein Forschungsteam des Joslin Diabetes Center in Boston, USA, sieht einen Trend hin zur ungesunden Ernährung – mit negativen Folgen für die Darmflora. In früheren Studien konnten die Wissenschaftler bereits zeigen, dass Kinder in industrialisierten Regionen mit typisch „westlicher“ Ernährung deutlich häufiger an Diabetes Typ I erkranken. Außerdem unterschied sich ihr Darmmikrobiom stark von dem der Kinder in nicht-industrialisierten Gegenden. „Wir waren in der Lage, spezifische Mikroben und mikrobielle Produkte zu identifizieren, von denen wir glauben, dass sie eine gute Immunausbildung im frühen Leben behindern“, erklärt Dr. Aleksander Kostic vom Joslin Diabetes Center. „Und das führt später zu einem höheren Auftreten nicht nur von Typ-1-Diabetes, sondern auch von anderen Autoimmun- und allergischen Erkrankungen.“ Die Wissenschaftler untersuchten daher, wie die Darmflora früher zusammengesetzt war – lange bevor sich Einflüsse der Industrialisierung bemerkbar machen konnten.
2.000 Jahre alte Fäkalien untersucht
In einer kürzlich im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichten Studie beschreibt das Forschungsteam des Joslin Diabetes Center den Unterschied zwischen antikem und zeitgenössischem Darmmikrobiom. Dafür untersuchte das Team 2.000 Jahre alte menschliche Paläofäkalien (versteinerter Kot). Durch die extreme Trockenheit der Höhlen in Utah und Nordmexiko, wo sie gefunden wurden, waren die acht untersuchten Exemplare besonders gut erhalten. Dank besonders detaillierter Genomsequenzierung war es den Forschenden daher möglich, bislang unentdeckte Spezies von Darmbakterien in den antiken Stuhlproben zu finden. Die Ergebnisse der Genomanalysen verglichen die Wissenschaftler mit der mikrobiellen DNA von 789 Stuhlproben heute lebender Menschen. Davon ernährte sich etwa die Hälfte „westlich und industrialisiert“.
Klare Unterschiede zu westlichem Mikrobiom
„Die Unterschiede zwischen den Mikrobiom-Populationen waren bemerkenswert“, heißt es in einer Pressemitteilung des Joslin Diabetes Center zu den Studienergebnissen. So fand sich etwa das Bakterium Treponema succinifaciens in keiner einzigen modernen, westlichen Stuhlprobe, dafür in jeder einzelnen der Paläofäkalien. Mit den Darmbakterien der Menschen, die sich nicht westlich ernährten, hatte das antike Mikrobiom zwar schon mehr gemeinsam, doch 40 Prozent der alten Bakterien waren noch nie zuvor entdeckt worden. Außerdem fand das Forschungsteam beim Vergleich der Mikrobiome, dass in der heutigen Darmflora deutlich mehr Gene zu finden sind, die auf Antibiotikaresistenzen hinweisen. Das antike Darmmikrobiom hatte zudem weniger der Gene, die Entzündungen und Krankheiten des Darms fördern.
Vielseite Ernährung fördert gesunde Darmflora
Den Grund für die Diskrepanz sieht Kostic in der Ernährung: „In alten Kulturen sind die Lebensmittel, die man isst, sehr divers und können eine vielseitigere Sammlung von Mikroben unterstützen. Aber wenn man sich in Richtung Industrialisierung und Lebensmittelgeschäft bewegt, verliert man eine Menge Nährstoffe, die helfen, ein vielfältigeres Mikrobiom zu unterstützen.“ Außerdem war das Mikrobiom früher mehr auf Anpassung ausgelegt: Bei den Analysen fanden die Wissenschaftler im Paläo-Kot mehr sogenannte Transposasen. Das sind Enzyme, die ihre Position im Genom verändern können. Heutzutage essen wir das ganze Jahr über mehr oder weniger das gleiche. Früher dagegen war das Mikrobiom dank dieser Enzyme dazu in der Lage, sich an wechselnde Ernährung anzupassen.
Wird die Darmflora vererbt?
Die Forschenden konnten mit ihren Analysen noch einer weiteren Frage nachgehen: Ist das Darmmikrobiom erblich oder entwickelt es sich aus Umwelteinflüssen? Für eine Vererbung spricht, dass die Wissenschaftler Übereinstimmungen fanden zwischen dem 2.000 Jahre alten Mikrobiom und noch älteren Proben, die auf die Zeit zurückgehen, zu der Menschen erstmals die Beringstraße nach Nordamerika überquerten. Kostic bemerkt: „Diese Mikroben sind, genau wie unsere eigenen Genome, mit uns gereist.“
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