Endlich wieder Frühling! Dieses Gefühl macht sich in vielen breit, sobald es ringsum zu blühen und grünen beginnt, und dass, obwohl das Frühjahr eine Gefahr mit sich bringt, die oftmals unterschätzt wird. Sei es beim Wandern, im hohen Gras oder im Wald: Ausgerechnet dort, wo man sich bei herrlichem Frühlingswetter bevorzugt aufhält, nämlich in der Natur, lauern die Spinnentiere auf ihre Beute: Die Rede ist von Zecken. Von März bis Oktober ist die Infektionsgefahr tendenziell am größten, wobei sich primär spielende Kinder häufig einen der Blutsauger einfangen. Durch den Biss können Erreger übertragen werden, die Krankheiten auslösen – dazu gehören Borreliose und FSME, die Frühsommer-Meningoenzephalitis.
Was ist Borreliose?
Bei der Borreliose handelt es sich um eine bakterielle Infektionskrankheit, die bei 0,3 bis 1,4 Prozent aller Zeckenstiche Symptome zur Folge hat. Borreliose verursacht unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen und involviert verschiedene Organsysteme, insbesondere die Haut, die Gelenke und das Nervensystem. Ist letzteres betroffen, macht sich eine Infektion durch brennende Nervenschmerzen bemerkbar, die sich vor allem nachts verschlimmern und mit Seh- oder Hörstörungen sowie Taubheitsgefühlen einhergehen können. Noch Monate oder Jahre nach erfolgter Borrelien-Erkrankung kann es zu Gelenkentzündungen, Herzrhythmusstörungen oder Entzündungen des Rückenmarks kommen.
Die Borrelien befinden sich im Darm der Zecke, sodass erst nach längerem Saugen – nach ca. zwölf bis 24 Stunden – eine Übertragung der Erreger erfolgen kann. Entfernt man die Zecke rasch, ist das Übertragungsrisiko der Borreliose-Bakterien folglich sehr gering. Eine Borreliose-Infektion kann mit Antibiotika therapiert werden, bereitet aber gerade deswegen öfters Probleme, weil sie zu spät erkannt wird. Als häufigstes erstes Anzeichen der Krankheit kann die sogenannte Wanderröte kategorisiert werden, ein roter Kreis, der sich um die Einstichstelle bildet und sich sukzessive vergrößert. „Bildet sich um den Einstich ein roter Rand, deutet dies auf eine Borreliose-Infektion hin. Betroffene sollten dann sofort zum Arzt gehen“, rät Dr. Sabine Schwenk, Geschäftsführerin der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Ulm-Biberach.
Und wofür steht eigentlich FSME?
Hinter der Frühsommer-Meningoenzephalitis – kurz FSME – verbirgt sich eine Gehirn-, Hirnhaut- und Rückenmarkentzündung, von der primär Erwachsene betroffen sind. Rund 0,1 bis fünf Prozent der Zecken tragen laut Robert Koch-Institut (RKI) das FSME-Virus in sich. Die FSME-Viren befinden sich in den Speicheldrüsen der Zecken und können durch den Stich rasch in die Blutbahn des Wirtes gelangen und somit die Entzündung im menschlichen Organismus auslösen.
In den meisten Fällen treten nach erfolgter Erkrankung nach zwei bis drei Wochen für einige Tage Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel oder Fieber auf – also typische Merkmale einer Grippe. Bei ca. jeder zehnten erkrankten Person sind die Folgen jedoch weitaus dramatischer, da es nach einer weiteren Woche zur Beteiligung des zentralen Nervensystems kommt. Hier resultiert FSME dann in Entzündungen des Gehirns, der Hirnhäute (Meningoenzephalitis) oder des Rückenmarks (Myelitis). Indikatoren für einen schweren Verlauf sind starke Kopfschmerzen, hohes Fieber und Erbrechen sowie Bewegungsstörungen, Lähmungen und mitunter sogar verändertes Bewusstsein bis hin zum Koma. Folgeschäden können gravierend und lang anhaltend sein und so wundert es auch nicht, dass jeder hundertste Krankheitsfall, bei dem das zentrale Nervensystem betroffen ist, tödlich endet.
Lebensraum von Zecken erweitert – dank Klimakrise
„Gemäß einer Studie von Forschenden aus der Westschweiz hat sich zwischen 2009 und 2018 der für Zecken geeignete Lebensraum um fast zwei Drittel vergrößert“, so der Arbeitsmediziner, Biologe und Zecken-Experte Felix Ineichen. Veränderte klimatische Bedingungen könnten laut ihm ein Grund dafür sein, warum sich Zecken in europäischen Breitengraden immer wohler fühlen. „Speziell in Lagen zwischen 500 und 1000 Metern über Meer haben sich die Verhältnisse so geändert, dass es den Zecken dort zunehmend gefällt.“ Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Zahlen der jährlichen Zeckenstiche nieder: Kam es zwischen 2012 und 2016 zu durchschnittlich 10.000 Zeckenstichen pro Jahr, zeigten Schätzungen, dass es in der Folgeperiode von 2017 bis 2021 jährlich bereits rund 14.000 Fälle waren, was einer Zunahme von satten 40 Prozent gleichkommt.
Die steigenden Temperaturen und veränderten Wetterbedingungen haben ebenfalls großen Einfluss auf die Zahl der Zeckenbisse. „Zum einen erwachen die Zecken früher aus ihrer Winterstarre, zum anderen halten sich die Menschen vermehrt im Freien auf“, sagt Ineichen. Statistiken bestätigen den Zusammenhang zwischen dem graduellen Temperaturanstieg und der Anzahl an Zeckenstichen, da in den Sommermonaten Mai, Juni und Juli die meisten Zeckenstiche verzeichnet werden können.
Schutz vor Zecken – nur wie?
Zuallererst ist es von Vorteil über die als FSME-Risikogebiete eingestuften Bezirke informiert zu sein: Das Robert Koch-Institut (RKI) weist quasi den ganzen Süden Deutschlands als Risikogebiet aus. Dies umfasst Bayern und Baden-Württemberg bis auf wenige Ausnahmen, einen Großteil Sachsens sowie den Süden von Hessen und Thüringen. Den sichersten Schutz vor FSME bietet dennoch noch immer die Zeckenimpfung: „Während es für die von Bakterien verursachte Borreliose keine Schutzimpfung gibt, kann man sich vor der von einem Virus verursachten FSME durchaus schützen“, so Sabine Schwenk. „Für den vollen Impfschutz sind drei Impfungen nötig. Nach der dritten Spritze ist man für mindestens drei Jahre vor einer FSME-Infektion geschützt.“
Weitere Präventionsmaßnahmen sind das Tragen von geschlossener Kleidung sowie zeckenabweisende Mittel wie Sprays, die auf der Haut aufgetragen werden und die Tiere zumindest für einige Stunden abhalten sollen. Hat eine Zecke bereits zugestochen, sollte sie so schnell wie möglich mit einer Pinzette dicht an der Haut gepackt und herausgezogen werden. Je schneller sie entfernt wird, desto geringer das Risiko, dass Erreger in den Körper gelangen. Obgleich es zurzeit noch schwierig ist, Prognosen für das aktuelle Jahr aufzustellen, könnten die kommenden Wochen erste Hinweise geben, ob 2022 als Zeckenjahr eingestuft werden kann. Statistiken zufolge ist der Monat April maßgebend für die Zahl der Zeckenstiche. „In jenen Jahren, in denen wir am meisten Zeckenstiche registrieren, war der April jeweils überdurchschnittlich warm und sonnig“, erläutert Ineichen.
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