Die Menschheit scheint geistig abzubauen. Erstmals zeigt sich ein Rückgang der kognitiven Fähigkeiten, die bisher von Generation zu Generation stets gestiegen sind. Doch die Babyboomer kehren den Trend um – zumindest in den USA. Eine landesweite Untersuchung stellte diese Entwicklung fest und versuchte mögliche Einflussfaktoren zu ermitteln.
Kognition zuvor stets gestiegen
Untersuchungsergebnisse zeigten die größten kognitiven Fähigkeiten bei den sogenannten „war babies“, geboren in den Jahren 1942-1947. Mit den danach geborenen Generationen des amerikanischen Babybooms beginnt die Kognition kontinuierlich zu sinken. Die in den späten 50er Jahren Geborenen schnitten in Tests sogar noch schlechter ab. Worauf ist dieses Absinken zurückzuführen?
Rückgang quer durch alle Bevölkerungsgruppen
Hui Zheng, Soziologieprofessor an der Ohio State University, analysierte Daten von 30.191 Amerikanerinnen und Amerikanern. Sie alle nahmen an der Health and Retirement Study teil, die von 1996 bis 2014 dauerte. Zweck der Forschung war, eine Trendprognose für Demenzerkrankungen einzuholen und die zugrunde liegenden Mechanismen zu untersuchen. Die Teilnehmenden, älter als 51, wurden alle zwei Jahre befragt, wobei sie auch kognitive Tests absolvieren mussten. Dazu zählten etwa Gedächtnisübungen wie Wörter memorisieren und Gegenstände benennen.
Die Ergebnisse sind für Zheng überraschend: Es zeigte sich ein deutlicher Rückgang der kognitiven Fähigkeiten. Im Vergleich zu früheren Generationen erreichten die Babyboomer bereits mit 50 Jahren weniger Punkte bei kognitiven Tests. Dies war quer durch alle Bevölkerungsgruppen beobachtbar, unabhängig von Geschlecht, Ethnie oder Bildungsniveau. Im Gegensatz zu erhöhter Sterblichkeit und dem Risiko für bestimmte Krankheiten, wovon Wohlhabende und Gebildete weniger betroffen sind, zeigte sich bei der Kognition fast kein Unterschied zwischen den Gruppen.
Diese Gründe stecken dahinter
Früher standen hohe kognitive Fähigkeiten meist mit günstigen Kindheitsbedingungen in Zusammenhang. Bei der Babyboom-Generation waren diese jedoch besser als früher, auch die Bildung war im Mittel höher. Der Rückgang komme also nicht von mangelhaften Lebensumständen in der Kindheit, schließt Zheng.
Anhand der vorliegenden Daten waren die relevantesten Faktoren, die mit den niedrigen Werten in Verbindung stehen, folgende: geringer Wohlstand, ein höheres Maß an Einsamkeit und Depression sowie mangelnde körperliche Aktivität und Fettleibigkeit. Weiters wurden psychische Probleme und kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Schlaganfall, Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Diabetes festgestellt. Zudem scheint sich auch ein Leben ohne Ehepartner negativ auf die Kognition auszuwirken, ebenso aber, wenn man mehr als einmal verheiratet war.
Modernes Leben hat einen Einfluss
Die Ergebnisse zeigen: Viele der ermittelten Faktoren sind Probleme der modernen Gesellschaft. Social media ersetzen teils „echte“ zwischenmenschliche Interaktion, Bewegungsmangel und Fettleibigkeit zeigen sich schon bei Kindern und auch die wachsende ökonomische Ungleichheit spielt eine Rolle. Zheng meint jedoch auch, dass einige Probleme speziell das Leben in den USA beträfen. Zum Beispiel, dass nicht alle Menschen den gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Die Kosten dafür sind in den USA extrem hoch.
Eine Sorge des Experten ist, dass sich der Trend in den nächsten Jahren weiter fortsetzen wird. Geringere kognitive Fähigkeiten schon in jüngeren Jahren stehen mit einem erhöhten Risiko in Verbindung, an Demenz zu erkranken. Damit würde der ohnehin erwartete Anstieg an Demenzerkrankungen noch höher ausfallen.
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