Millionen von Menschen weltweit haben täglich mit den Auswirkungen von Autoimmunerkrankungen zu kämpfen. Besonders häufig finden sich dabei Krankheiten wie Multiple Sklerose (kurz MS) oder Rheumatoide Arthritis. Während MS-Patienten an entzündlichen Reaktionen des Gehirns und des Rückenmarks leiden, betrifft eine Arthritis hauptsächlich die Gelenke. Grund für die Entzündungen ist das Immunsystem: Seine Aufgabe wäre es eigentlich, den Körper vor potentiell gefährlichen Eindringlingen wie Bakterien oder Viren zu schützen. Kommt es allerdings zu einer Autoimmunreaktion, so werden Zellen des eigenen Körpers fälschlicherweise als fremd erkannt und von den Immunzellen angegriffen.
Neuer Wirkstoff entdeckt
Ein Team aus Forschern des Okinawa Institute of Science and Technology hat sich diesem Problem angenommen und erfolgreich einen neuen Wirkstoff identifiziert, der Abhilfe schaffen soll. Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Cell Reports“, beschreibt ein Molekül, das vom Körper selbst produziert wird und eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Immunzellen spielt. Der Hauptautor, Prof. Hiroki Ishikawa, gibt zu verstehen, dass es sich bei dem neuen Wirkstoff um einen Hoffnungsträger handelt, Autoimmunerkrankungen in Zukunft effektiv zu behandeln.
Überreaktion des Immunsystems
In der Studie haben sich die Forschenden vor allem auf die Entwicklung von T-Helfer 17 Zellen, oder kurz TH17 Zellen, fokussiert. Diese bilden einen großen Teil des Immunsystems im Körper und sind hauptsächlich im Darm zu finden, wo sie pathogene Bakterien bekämpfen. Manchmal reagieren die Immunzellen allerdings stärker als sie sollten und zerstören körpereigenes Gewebe. Damit setzen sie den Grundstein für den Beginn einer Autoimmunerkrankung.
Kleines Molekül, große Wirkung
In einem metabolischen Prozess, der sogenannten Glykolyse, wird aus Glukose über mehrere Zwischenprodukte Energie hergestellt. Diese braucht der Körper unter anderem, um TH17 Zellen zu produzieren.
Überraschenderweise fanden die Forscher heraus, dass eine exzessive Glykolyse-Reaktion mit einer reduzierten TH17-Zellaktivität einhergeht. Daraus schloss das Team um Prof. Hiroki Ishikawa, dass eines der Moleküle, das während der Glykolyse produziert wird, die Immunzellen in ihrem Wachstum hindert.
Bei der Überprüfung dieser These wurde deutlich, dass es sich bei dem gesuchten Molekül um Phosphoenolpyruvat, kurz PEP, handelt. Die chemische Verbindung wird produziert, wenn Glukose in Energie umgewandelt wird und kommt in unserem Körper in großen Mengen vor.
Doch wo liegt nun der Zusammenhang zwischen PEP und der Entwicklung von TH17 Zellen? Laut den Forschern gibt es ein Protein namens JunB, das für die Entwicklung von TH17 Zellen verantwortlich ist. Indem es an verschiedene Gene bindet, treibt es die Reifung der Immunzellen an. Doch ist zusätzlich PEP in großen Mengen vorhanden, bindet dieses an JunB und hindert das Protein auf diese Weise daran seine Ziel-Gene zu aktivieren. Damit wird weiters auch die Reifung der TH17 Zellen beeinträchtigt.
Behandlungserfolg an Mäusen
Mit dem Wissen über die Funktion von PEP ausgestattet, begannen die Forscher eine Behandlung an Mäusen. Diese litten an einer Autoimmunerkrankung, die sich sehr ähnlich zu Multipler Sklerose bei Menschen verhält. Erhielten die Tiere nun eine Behandlung mit dem neuen Wirkstoff, konnte eine deutliche Linderung ihrer Symptome herbeigeführt werden.
Doch Vorsicht ist geboten! Schon früher konnten Wissenschaftler die Inhibierung der Glykolyse als Möglichkeit zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen identifizieren. Da dieser metabolische Prozess aber in fast allen Zellen essentiell ist, kann die Inhibierung schwere Nebenwirkungen zur Folge haben. Trotzdem bleibt das japanische Arbeitsteam optimistisch. Um in Zukunft eine Linderung der Leiden vieler Betroffener herbeizuführen, soll die neu entdeckte Spur weiter verfolgt werden.
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