Etwa die Hälfte aller Deutschen gibt an bei der Arbeit körperlich inaktiv zu sein. Laut dem aktuellen DKV-Report sitzen wir an Werktagen stolze 8,5 Stunden, junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren sogar noch zwei Stunden länger. Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Chemnitz zeigt erneut: Das ist nicht gesund. Alexander Kett und Dr. Freddy Sichting von der Professur Bewegungswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz untersuchten die Auswirkungen langen Sitzens auf den Bewegungsapparat und veröffentlichten die Ergebnisse im Fachmagazin „Biomechanics“.
Steife Muskeln unabhängig von Haltung
Dass man durch langes Sitzen sprichwörtlich „einrostet“, ist bereits hinreichend bekannt. Auch in einer älteren Studie konnten die Wissenschaftler der TU Chemnitz bereits zeigen, dass Sitzen über mehrere Stunden hinweg den Rücken steif werden lässt. „Nun wollten wir herausfinden, ob diese Veränderung der Muskelsteifigkeit möglicherweise mit der Sitzhaltung in Verbindung steht“ erklärt Alexander Kett, der sich im Rahmen seiner Promotion mit dem Thema auseinandersetzt. „Gleichzeitig vermuteten wir, dass der Anstieg der Muskelsteifigkeit in Verbindung mit der geringen Muskelaktivität während des Sitzens steht“, ergänzt der Promotionsstudent. Die Untersuchungen zeigten aber, dass die Rückensteifigkeit nicht damit zusammenhängt, welche Haltung eine Person auf dem Stuhl einnimmt oder wie oft diese gewechselt wird. „Wir konnten erneut zeigen, dass sich die Steifigkeit der Rückenmuskulatur nach 4,5 Stunden sitzen deutlich erhöht – und das unabhängig von der Sitzhaltung“, berichtet Studienleiter Freddy Sichting.
Kontraktionen wirken Einrosten entgegen
Die Forschenden vermuten, dass das Einrosten an dem Mangel an Forderung der Muskulatur liegt. „Fehlende Muskelkontraktionen könnten die Ursache für den Anstieg in der Muskelsteifigkeit sein“, kommentiert Kett die Ergebnisse. Um diese Hypothese zu testen, führten die Forschenden Interventionen ein, bei denen die Rückenmuskulatur durch Elektrostimulation zum Kontrahieren gebracht wurde. Dabei zeigte sich, dass die Muskulatur auch nach mehr als vier Stunden nicht steif wurde. „Die Ergebnisse legen nahe, dass regelmäßige Aktivitäten dabei helfen können, sitzbedingte Rückenbeschwerden zu vermeiden“, erklärt Studienleiter Sichting. Somit häufen sich in der Wissenschaft die Hinweise darauf, dass langes Sitzen eine Ursache für chronische Rückenbeschwerden ist. So seien vor allem Berufsgruppen wie Berufskraftfahrer oder Büroarbeiter betroffen, die berufsbedingt viel Zeit in der Sitzhaltung verbringen.
Bewegungspausen als Interventionsmaßnahme
„Nicht selten führen diese Probleme zu Arbeitsausfällen oder Arbeitsunfähigkeit“, bemerkt Kett. Und auch für Studierende und Schüler sind die Ergebnisse von Relevanz: „Unsere Ergebnisse stützen bestehende Empfehlungen, lange Sitzperioden durch kurze Aktivitäten zu unterbrechen. Ob nun der Gang zum Fenster, ein paar Kniebeuge oder einfach nur ausgiebiges Strecken – Hauptsache die Muskulatur wird regelmäßig aktiviert“, fügt Sichting hinzu. Mit den neuen Erkenntnissen tragen die Wissenschaftler dazu bei, die Auswirkungen des langen Sitzens auf unseren Bewegungsapparat besser zu erklären und zeigen erneut, wie wichtig Bewegung im Alltag ist. Außerdem sollte Elektrostimulation als Interventionsmaßnahme für Personen, denen regelmäßige Bewegung nicht möglich ist, weiter erforscht werden, erklären die Forschenden der TU Chemnitz.
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