Lähmungen, Sehstörungen, Taubheitsgefühle: Dies sind die Symptome der Multiplen Sklerose (kurz MS), einer Autoimmunkrankheit, die die Lebensqualität vieler Betroffener stark beeinträchtigt. Schon seit längerer Zeit steht ein Virus im Verdacht, die Krankheit auszulösen – nämlich das Epstein-Barr-Virus, mit dem sich fast alle Menschen im Laufe ihres Lebens anstecken. Eine Studie aus Schweden erbrachte nun neue Erkenntnisse dazu, wie genau der Erreger zu MS führen könnte.
Tragen wir alle den Auslöser von MS in uns?
Bereits im letzten Jahr hatte ein Forscherteam Daten veröffentlicht, die auf einen Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose und dem Epstein-Barr-Virus hinwiesen. Im Rahmen der Studie, die im renommierten Journal „Science“ erschien, wurden ca. 800 Menschen mit MS auf Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus untersucht. Diese bilden sich, nachdem man sich mit dem Erreger angesteckt hat. Nur bei einem der Probanden fand man zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs keine Antikörper im Blut.
Fast alle Menschen infizieren sich irgendwann mit dem Epstein-Barr-Virus, meist schon in der Kindheit. Beim Großteil der Fälle verursacht der Erreger keine Symptome, bleibt aber im Körper. Mehr als 90 Prozent aller Menschen weltweit tragen ihn in sich. Natürlich führt der Erreger nicht bei allen Infizierten zu Multipler Sklerose. Dennoch scheint das Epstein-Barr-Virus eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit zu spielen. Was genau es im Organismus anrichtet, sodass es zu MS kommt, war bisher unklar. Forscher des Karolinska Institutet in Schweden konnten zur Lösung dieses Rätsels nun ein weiteres Puzzleteil beitragen.
Wichtiges Protein im Gehirn gefährdet
Die Studie des Teams wurde kürzlich im Journal „Science Advances“ veröffentlicht. Die Forscher untersuchten das Blut von gesunden Probanden und MS-Patienten. Dabei stellten sie fest: Ein Baustein der Antikörper, die sich nach der Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus bilden, kann auch an ein Molekül binden, das im Gehirn eine wichtige Rolle spielt: das Protein CRYAB, das bei Stress und Entzündungen dafür sorgt, dass sich andere Proteine nicht ansammeln können.
Bekämpfen die Antikörper also nicht nur das Epstein-Barr-Virus, sondern auch körpereigene Zellen, könnte das das Protein CRYAB beeinträchtigen, was vermutlich Schäden im Nervensystem verursachen würde. Die Folge: die Symptome der Multiplen Sklerose. Dazu gehören eine eingeschränkte Mobilität, Gleichgewichtsprobleme und ständige Müdigkeit.
Individualisierte Therapien werden gebraucht
In der Studie der schwedischen Forscher wurden die Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus bei 23 Prozent der untersuchten MS-Patienten festgestellt – bei den gesunden Probanden war das nur bei sieben Prozent der Fall. „Das zeigt, dass diese Antikörperreaktionen zwar nicht für die Krankheitsentstehung erforderlich sind, aber bei bis zu einem Viertel der MS-Patientinnen und -Patienten an der Krankheit beteiligt sein können“, erklärt Studienautorin Olivia Thomas. Die Ursachen für die Krankheit unterscheiden sich also zwischen Patienten. Daher braucht es auch individualisierte Therapien.
Die Daten aus der Studie weisen zusätzlich darauf hin, dass ein ähnlicher Effekt auch bei den T-Zellen des Immunsystems auftreten könnte, wenn diese das Epstein-Barr-Virus angreifen. Die Forscher wollen in Zukunft genauer untersuchen, wie die T-Zellen zur Schädigung des Nervensystems und der Entstehung von MS beitragen.
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