Forscher im norwegischen Trondheim haben Zellen entdeckt, die wie ein Tacho im Gehirn funktionieren. Die sogenannten „Speedzellen“ wurden im Hippocampus und im entorhinalen Kortex gefunden.
Ohne GPS und Navigationssystem fühlen wir uns in einer neuen Umgebung meist verloren. Wer regelmäßig Laufsport betreibt, besitzt eine Armbanduhr oder eine App auf dem Smartphone, die uns nicht nur den Puls, sondern auch die gelaufenen Kilometer oder gar die ganze Strecke die wir gelaufen sind anzeigen.
Doch schon lange bevor diese technischen Hilfsmittel zum Alltag wurden, hat das Gehirn selbst ein GPS-System entwickelt. Mit der Entdeckung der Speedzellen ist man der Entschlüsselung des inneren Navigationssystem einen Schritt näher gekommen.
Nobelpreis für Entdeckung von GPS- und Ortszellen
Das Forscherehepaar May-Britt Moser und Edvard Moser von der norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik in Trondheim entdeckte die „GPS-Zellen“ im Gehirn von Ratten. Gemeinsam mit John O’Keefe vom University College London, der bereits in den 1970er-Jahren die sogenannten Ortszellen im Hippocampus von Ratten nachwies, erhielten sie 2014 den Medizinnobelpreis.
Die Ortszellen senden jedes Mal Signale, wenn eine Ratte sich an einen bestimmten Ort bewegt. Die GPS-Zellen senden in regelmäßigen Abständen Signale, während eine Ratte sich in einer offenen Umgebung bewegt. Damit erstellen sie ein Raster mit Koordinaten, die denen des GPS sehr ähnlich, und ein wesentlicher Bestandteil für den Orientierungssinn im Raum sind.
Wie ein Tacho im Gehirn
Nur ein Jahr danach fanden die Mosers nun eine Art inneren Tacho im Gehirn von Ratten. Die Neuronen messen die Geschwindigkeit mit der sich die Ratte fortbewegt. Das Ehepaar ließ dafür gemeinsam mit Kollegen die Ratten in einem kleinen Wagen ohne Boden auf einem Laufband laufen. Der Wagen dient zur Messung der Laufgeschwindigkeit der Tiere. Damit konnten die Forscher genau feststellen, dass die Tiere sieben, 14, 21 und 28 Zentimeter pro Sekunde gelaufen sind.
Gleichzeitig dazu maßen die Forscher mithilfe von Elektroden die Aktivität der Nervenzellen in den zwei Gehirnregionen Hippocampus (mittlerer Teil des Großhirns, ist vor allem für das Gedächtnis verantwortlich) und entorhinalen Kortex (steht in enger Verbindung zum Hippocampus, auch an Gedächtnisbildung beteiligt). Sie konnten feststellen, dass bestimmte Zellen mit der Erhöhung der Geschwindigkeit aktiver wurden.
Die Umgebung ist den Speedzellen egal
Insgesamt machten das Ehepaar Moser und Kollegen drei Tests mit unterschiedlichem Muster. In einem Test wurde die Geschwindigkeit des Laufbands regelmäßig erhöht, in einem anderen sprinteten die Ratten nur die halbe Distanz der vier Meter langen Strecke und im abschließenden Test durften die Ratten sich die Geschwindigkeit in der sie laufen wollten selbst aussuchen .
In allen drei Tests konnte festgestellt werden, dass zwischen 13 und 15 Prozent der überwachten Zellen Signale sendeten, die eindeutig in Zusammenhang mit der Geschwindigkeit der Tiere standen. Mit 15 Prozent sind das im entorhinalen Kortex etwas mehr als im Hippocampus. Das berichten die Forscher in der heutigen Onlineausgabe des Nature-Magazins.
Mithilfe weiterer Experimente fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Speedzellen unabhängig von ihrer Umgebung Signale abgeben. Es ist also egal, wo sich die Ratte bewegt. Das wurde getestet, indem man die Ratten in einen anderen Wagen setzte. Auch die visuelle Komponente spielt keine Rolle. Die Aussendung der Signale veränderte sich nicht, obwohl die Ratten ein mal im Dunklen und ein anderes mal im Hellen rannten.
Inneres Navigationssystem funktioniert auch mit geschlossenen Augen
Diese Eigenschaften teilen die Speedzellen mit den GPS-Zellen, erklärt Edvard Moser. Das liegt daran, dass unser inneres Navigationssystem auch funktioniert, wenn wir weder hören noch sehen. Das kann man ganz einfach ausprobieren. Schließt man die Augen wird man in der eigenen Wohnung oder dem Büro trotzdem seinen Weg finden. Das basiert auf inneren Signalen des Körpers, die etwa von den Muskeln kommen.
Moser erläutert weiter, dass es den Zellen ziemlich egal sei, wie ihre Umgebung aussieht. „Ausschlaggebend sind die Distanz und die Richtung der Bewegung.“, betont er. Die Speedzellen bilden die Basis für die Repräsentation der Selbstverortung im entorhinalen Kortex, schlussfolgert das Forscherteam aus der Studie.
Gemeinsam mit Grenzzellen, zum Erkennen von Hindernissen, Kopfrichtungszellen, die wie eine Art Kompass sind, den GPS-Zellen und den Ortszellen, bilden die Speedzellen einen weiteren Bestandteil des inneren Orientierungssystems von Säugetieren.
Was meinen Sie?