Am 27.Mai ist Welt-MS-Tag (Multiple Sklerose). Die Krankheit lässt sich nicht heilen, aber die Forscher blicken dennoch leicht zuversichtlich auf die neurologische Krankheit. Denn das Risiko von Nebenwirkungen von helfenden Medikamenten wird immer besser kontrollierbar.
Bei MS handelt es sich um die häufigste Nervenkrankheit, die im jungen Erwachsenenalter (zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr) auftritt. In Österreich sind einer Schätzung zufolge ca. 12.500 Menschen betroffen. In Deutschland ca. 200.000. Durch die Vielseitigkeit der Symptome, die mit der Krankheit einhergehen können, hat sie auch den Beinamen „Krankheit der tausend Gesichter“ erhalten.
Symptome und Beschwerden der Krankheit
Die Symptome können von Patient zu Patient ganz unterschiedlich sein. Zudem ist der Verlauf der unheilbaren Krankheit sehr verschieden.
Als Erstsymptom treten, statistisch gesehen, häufig Empfindungsstörungen in Armen oder Beinen auf. Dabei liegt kein allgemeines Unwohlsein vor, sondern die Krankheit kommt sehr plötzlich. Als zweithäufigstes Symptom liegt oft eine Sehstörung vor. Am dritthäufigsten werden zu Beginn der Erkrankung Störungen der Muskelfunktionen wahrgenommen. Diese äußern sich als Kraftlosigkeit, Lähmungen oder erhöhte Muskelsteifigkeit. Parallel können auch Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen auftreten.
Weitere Beschwerden, die die Krankheit mitbringt, sind Blasenentleerungsstörungen, undeutliche Sprache, Gangstörung, sexuelle Störungen und Unsicherheiten bei gezielten Bewegungen. Auch können psychische Störungen bei schwer Erkrankten hinzukommen. Da die Krankheit sehr vielseitig auftritt, wird vorbeugend eine frühzeitige Therapie angestrebt. Dadurch sollen Folgeerkrankungen und Begleiterscheinungen eingedämmt werden, denn die Krankheit kann nicht geheilt werden. Durch gezielte Maßnahmen kann man aber helfen, die Lebensqualität eines Betroffenen zu erhalten.
Was ist MS genau?
MS ist eine entzündliche, chronische Krankheit. Sie greift viele (multiple) Stellen im Zentralnervensystem an und führt so zu Schädigungen (Läsionen) und Vernarbungen (Sklerosen) im Gehirn und im Rückenmark.
Krankheitszeichen, die am Anfang auftreten, bilden sich in der Regel wieder zurück. Somit kommt es zu einer Abheilung der Entzündungsherde. Bilden sich die Symptome nicht vollständig zurück, bleiben die Störungen trotzdem oft relativ gering ausgeprägt und sind für den Betroffenen wenig beeinträchtigend. Da der Krankheitsverlauf in jedem Einzelfall variiert, können auch zunehmende, bleibende körperliche und kognitive Störungen auftreten.
Kognitive Beeinträchtigungen zeigen sich oft darin, dass die Leidenden sich beim Denken, Erinnern, Planen oder Urteilen zunehmend schwer tun. In unter fünf Prozent führt MS innerhalb weniger Jahre zu schwerer Behinderung.
Die oben beschriebenen Symptome treten in vorübergehenden Schüben (Episoden) auf. Sie klingen häufig innerhalb von Tagen und Wochen ab und können auch ganz oder teilweise wieder verschwinden. Diesen Vorgang nennt man Remission. Zwischen zwei Schüben müssen keine Symptome auftreten. Von Patient zu Patient kann das symptomfreie Intervall zwischen einige Wochen und mehreren Jahren dauern. Auch wenn die Krankheitszeichen fehlen, ist die Krankheit meist unterschwellig aktiv.
Drei verschiedene Formen der MS
Man unterscheidet drei Formen der MS. Die schubförmige – rezidivierend-remittierende MS (RRMS) betrifft ca. 80 Prozent der Betroffenen. Dabei kann die Frühphase symptomfrei verlaufen, manchmal sogar über Jahre. Wann die Schübe auftreten, kann man nie vorhersagen und daher können Symptome jederzeit und plötzlich auftreten und nach einigen Tagen oder Wochen wieder verschwinden. Die Krankheit bleibt dennoch im Hintergrund aktiv.
Die sekundär progrediente MS (SPMS) gilt meist als zweites Krankheitsstadium. Bei ca. 40 Prozent der Betroffenen geht nach 10 Jahren Krankengeschichte die schubförmige MS in eine SPMS über. Es treten ebenfalls Schübe auf, wie bei der RRMS, aber es gibt keine vollständige Rückbildung der Symptome und zwischen den Episoden schreitet die Behinderung kontinuierlich fort. Nach und nach wird die Anzahl der Schübe geringer, aber die Behinderung nimmt immer mehr zu.
Die letzte Form ist die sogenannte primär progrediente MS (PPMS). Es ist die seltenste Form und betrifft nur etwa 10 Prozent aller MS-Patienten. Die Krankheitsmerkmale verschlechtern sich von Anfang an fortlaufend und die Behinderung nimmt kontinuierlich zu. Schübe und Remissionen fehlen. Gesundheitsverbesserungen kommen nur selten vor.
Diese Form der MS ist selten und betrifft etwa 10 Prozent aller MS-Patienten. Die Symptome verschlechtern sich von Beginn an fortlaufend und die Behinderung nimmt kontinuierlich zu. Schubartige Episoden fehlen ebenso wie Remissionen. Es kommt nur gelegentlich zu vorübergehenden kleineren Verbesserungen.
Rapide Verschlechterung
Maria Eifrig aus Deutschland ist 59 Jahre alt und hat MS. Sie arbeitet als Programmiererin und sitzt im Rollstuhl. Ihr ganzer Körper wird mit Spastiken durchzuckt. Vor 16 Jahren bekam sie die Diagnose.
Bis 2007 ging es Frau Eifrig immer schlechter. Die MS griff ihr Nerven- und Immunsystem an. Durch ihren elektronischen Rollstuhl erhält Frau Eifrig sich aber ihre Mobilität und Beweglichkeit. „Ich kann mich mit ihm aufrichten, ja sogar stehen. Ich mache sogar Sport damit“, sagt sie stolz. Jede für uns kleine Bewegung ist für Maria Eifrig ein Training. Mit dem Rollstuhl richtet sie sich auf und bewegt so viele Muskelgruppen wie möglich. Sogar das Tippen am Computer ist Training.
Von Fall zu Fall verschieden – Forschung noch weit entfernt von einer Heilung
Jeder Krankheitsfall gleicht kaum dem anderen. „Die meisten Menschen denken, dass MS automatisch in den Rollstuhl führt, das ist natürlich Quatsch“, so eine Besucherin des MS-Sonntags-Cafés im Münsterland.
„Die MS-Diagnose ist längst kein Todesurteil mehr. Neuen Patienten kann sehr effizient geholfen werden und sie können mit MS sehr lange leben“, sagt Prof. Burkhard Becher von der Universität Zürich. Er forscht am Institut für Experimentelle Immunologie. Seiner Meinung nach ist die Forschung noch sehr weit davon entfernt, eine endgültige Heilungsmethode zu finden. Laut ihm sei es aber klar, dass über 100 ermittelte MS-Risikogene für die Steuerung des Immunsystems verantwortlich sind. Daher sei es vor allem eine Immunerkrankung, die dann in einem zweiten Schritt zu Schäden im Gehirn führt.
Becher nutzt als Vergleich den Besuch beim Zahnarzt: „Beim Gang zum Zahnarzt haben Sie anschließend auch nicht die Karies besiegt. Aber der Arzt konnte Ihnen mit einer Behandlung den Schmerz nehmen, indem er zum Beispiel ein Loch mit einem Ersatzstoff gefüllt hat.“ Er sieht es als großen Fortschritt, dass Patienten nicht mehr mit täglichen Injektionen belastet werden, sondern dass es stattdessen wirksame Medikamente in Tablettenform oder als monatliche Injektionen gibt.
„Die Zukunft gehört den Forschern, denen die sogenannte Neuroprotektion gelingt, wenn also zerstörtes Gewebe wieder hergestellt werden kann“, ist Becher überzeugt. Davon ist man aber noch weit entfernt.
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