Etwa eine Million Menschen nehmen allein in Deutschland regelmäßig blutverdünnende Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung ein. Vor allem als Schutz gegen lebensbedrohliche Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt sollen diese Arzneien vorbeugend wirken. Eine internationale Studie hat nun aber genauer untersucht, ob Hirnblutungen nicht sogar durch Blutverdünner verursacht werden können.
Komplexes Krankheitsbild
Dabei betonten die Forschenden der Universität Bern und des University College London in einer aktuellen Mitteilung, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Regel komplex ablaufen und gleichzeitige mehrere Organe betreffen. Behandlungen von Gefäßkrankheiten im Gehirn machen es oft nötig die Behandlung von Herzerkrankungen anzupassen. Am wichtigsten dabei ist es die jeweiligen Ursachen und Wirkungen genau zu verstehen, um eine bestmögliche Therapie bieten zu können. Für diesen Zweck beleuchtete auch das Forscherteam einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Risiko eines Hirnschlags bei Vorhofflimmern.
Mikroangiopathien als Auslöser
Hirnschläge, oder sogenannte Schlaganfälle, verlaufen in der Regel meist nicht tödlich und können je nach Schweregrad mithilfe von verschiedenen Therapiemöglichkeiten gut behandelt werden. Bei Hirnblutungen sieht es jedoch anders aus: Deren Häufigkeit sowie Gefährlichkeit hat in den letzten 30 Jahren nicht abgenommen. Bisherige Studien schätzten Blutverdünner als zusätzliche Risikofaktoren für eine Hirnblutung ein. In der aktuellen Studie fanden sich aber hinreichende Beweise, dass eine Mikroangiopathie, eine Erkrankung der kleinen Blutgefäße, Voraussetzung hierfür sein muss: „Der Grad der Mikroangiopathie im Gehirn eignet sich zur Vorhersage einer Hirnblutung. Ohne Mikroangiopathie ist dagegen das Hirnblutungsrisiko verschwindend gering. Daraus folgert, dass Blutverdünnung nicht mehr als primäre Ursache für Hirnblutungen angesehen werden sollte“, ergänzt dazu Studienautor David Seffge vom Universitätsspital Bern.
Vergleich zweier Studien bringt Nachweis
Für einen genauen Nachweis wurden zwei unabhängige, multizentrische Observationsstudien in der aktuellen Publikation zusammengefasst. Eine davon enthielt eine Querschnittsstudie mit 1.030 Patienten mit Hirnblutungen, bei der mittels CT und MRI Marker einzelne Mikroangiopathien im Gehirn aufgespürt wurden. Bei der anderen, prospektiven Studie wurden 1.447 Personen mit Vorhofflimmern und Durchblutungsstörungen beleuchtet. Dabei stand das Auftreten von Hirnblutungen und Schlaganfällen in Abhängigkeit zur Blutverdünnung im Mittelpunkt der Untersuchung. Der Nachweis gelang im Vergleich der Risikofaktoren: Studienteilnehmer, die keine Mikroangiopathie aufwiesen, erlitten im Rahmen der Studie keine einzige Hirnblutung. Bei Teilnehmern mit einer mittleren bis schweren Mikroangiopathie hingegen war das Risiko um 1,56 Prozent pro Jahr erhöht.
Schutz vor Hirnschlag
Die neuen Erkenntnisse werden nun ebenfalls dazu beitragen können, dass Patienten mit einer auftretenden Hirnblutung zukünftig weiterhin Blutverdünner erhalten, um nicht schutzlos einem Hirnschlag ausgesetzt zu sein. Auch soll zur Vermeidung von Hirnblutungen eine Therapie der ursächlichen Mikroangiopathie im Vordergrund stehen. Nach Anpassung der Blutverdünner kann in Folge weiterhin ein gewisser Schutz gegen Schlaganfälle aufrechterhalten werden. „Neu sollten zur Verhinderung von Hirnblutungen daher Mikroangiopathien systematisch gesucht und gezielt behandelt werden. (…) So würde das Risiko von Hirnblutungen bei Vorhofflimmern ursächlich und wirksam vermindert“, fasst Prof. Marcel Arnold, Chefarzt Stroke Center, Inselspital, Universitätsspital Bern die Ergebnisse zusammen.
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