Einen Weg finden, mit dem Krebs besiegt werden kann – davon träumen Wissenschaftler schon lange und viele Betroffene setzen ihre Hoffnung in neue Techniken zur Therapie ihrer Tumore. Denn obwohl es bereits verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gibt, können noch immer nicht alle Patienten geheilt werden. Forscher am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA haben nun das Potential einer Methode nachgewiesen, mit deren Hilfe neue Medikamente gegen Krebs entwickelt und mit wenig Aufwand getestet werden können. Die Grundlage dieser innovativen Technik: genveränderte Mäuse.
Wann gibt es endlich bessere Krebs-Medikamente?
Aus vielen Studien weiß man bereits, dass es tausende von Mutationen gibt, die zur Entstehung von Tumoren beim Menschen beitragen. Um deren genaue Auswirkungen zu erforschen und womöglich noch wirksamere Medikamente gegen Krebs zu entwickeln, haben Wissenschaftler in den letzten Jahrzehnten Mäuse genetisch so verändert, dass die Mutationen auch bei ihnen auftreten. Dadurch konnten sie Tiermodelle schaffen, in denen krebserregende Gene aktiviert waren oder Abschnitte der DNA unterdrückt wurden, die normalerweise die Tumorentstehung verhindern.
Beim Großteil der krebserregenden Mutationen ist man sich jedoch immer noch nicht sicher, wie sie zur Tumorentstehung beitragen, da die Entwicklung eines Tiermodells sehr aufwendig ist. „Ein Student kann eine ganze Doktorarbeit darüber schreiben, ein Modell für eine Mutation zu schaffen“, erklärt Zack Ely, Experte für Biologie in einer Pressemitteilung des MIT. Daher würde es Jahrzehnte dauern, alle Mutationen zu untersuchen, die mit Krebs zusammenhängen. Ely und weiteren Forschern des MIT gelang es nun jedoch, die genetischen Veränderungen in viel kürzerer Zeit als bisher in Versuchstiere einzubauen. Ihre Vorgehensweise, die auf der berühmten CRIPSR-Genschere beruht, beschrieben sie kürzlich im renommierten Journal „Nature“.
Mutierte Mäuse erleichtern Krebsforschung
Bereits in den 2010er Jahren begannen Wissenschaftler zu untersuchen, ob statt der herkömmlichen Methode die CRISPR-Geneditierung verwendet werden könnte, um Krebsmutationen bei Tieren leichter zu erschaffen. Tatsächlich war es möglich, mit CRISPR schnell und einfach Gene auszuschalten, die bei Tumoren oft verloren gehen. Man konnte bislang jedoch keinen Weg finden, damit neue Mutationen in ein Gen einzuführen, da die Methode auf den Reparaturmechanismen der DNA beruht, durch die Fehler auftreten können. Im Jahr 2019 gelang es Experten am amerikanischen Broad Institute schließlich eine neue Version von CRISPR zu entwickeln, bei der nur ein Strang der DNA durchschnitten wird, sodass die Wahrscheinlichkeit für Fehler sinkt. Diese neue Technik wird „prime editing“ genannt.
Wenn das „prime editing“-System in das Genom einer Maus eingeschleust wird, können Forscher das Wachstum eines Tumors initiieren. Dafür wird eine bestimmte Substanz in das Gewebe des Tieres gespritzt, durch das eine Krebsmutation aktiviert werden soll. Gleichzeitig wird eine RNA eingeschleust, mit der spezifische Veränderungen im Genom der Zellen vorgenommen werden können. Die RNA kann so designt werden, dass einzelne Bestandteile des Gens ersetzt, gelöscht oder Ergänzungen in einem bestimmten Gen eingefügt werden. So können die Forscher jede Krebsmutation erstellen, die sie untersuchen möchten.
Dieses Gen verursacht besonders häufig Krebs
Um das „prime editing“ zu testen, haben die Forscher des MIT verschiedene Mutationen im sogenannten KRAS-Gen erzeugt, welches ca. 30 Prozent aller Krebsfälle und fast alle Pankreaskarzinome beim Menschen verursacht. Die Wissenschaftler entwickelten dafür Mausmodelle mit verschiedenen Typen von KRAS-Mutationen, die bei Lungenkrebs gefunden werden können. Zu ihrer Überraschung fanden sie heraus, dass die Tumore, die in den verschiedenen Modellen generiert wurden, sehr unterschiedliche Eigenschaften aufwiesen. Beispielsweise produzierten einige Mutationen große, aggressive Lungentumore, während die Krebsgeschwüre anderer Mutationen kleiner waren und langsamer fortschritten.
Werden Medikamente bald auf Gene zugeschnitten?
Bisher gibt es in den USA nur zwei zugelassene Medikamente, die die Kras-Mutationen anvisieren – und beide davon zielen auf genau dieselbe genetische Veränderung ab. Mithilfe des „prime editing“ könnte man in Zukunft mehr darüber lernen, wie unterschiedlichste Mutationen zur Tumorentstehung beitragen. Darauf aufbauend ist es möglich, Medikamente zu entwickeln, die sich auf die einzelnen Mutationen konzentrieren. Die Wissenschaftler am MIT haben bereits viele Pläne für die weitere Forschung mit der Geneditierung: So arbeiten sie momentan an Tiermodellen mit Mutationen, die eine Rolle bei Bauchspeicheldrüsenkrebs spielen.
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