Schon seit längerem wird vermutet, dass Herpesviren – etwa die Erreger von Gürtelrose – zur Entstehung von Demenz beitragen. Eine Studie von Forschern aus Heidelberg liefert dafür nun weitere Hinweise: Sie zeigt, dass eine Impfung gegen Gürtelrose vor dem Verfall geistiger Fähigkeiten schützen könnte.
Weniger Demenz-Fälle durch Gürtelrose-Impfung
Ihre Befunde verkündeten die Forscher kürzlich in einer Vorabmitteilung, da die komplette Studie bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Nach Angaben der Wissenschaftler wurde eine Gruppe von Menschen aus Wales untersucht, die keine Impfung gegen die Gürtelrose erhalten hatten, sowie eine Kohorte von Probanden, von denen etwa die Hälfte mit dem Lebendimpfstoff Zostavax geimpft waren. Über einen Untersuchungszeitraum von sieben Jahren hinweg wurde erfasst, welche der Probanden eine Demenz-Diagnose erhielten.
Das Ergebnis: In der Gruppe ohne Impfung entwickelten etwa 20 Prozent mehr Probanden eine Demenz als in der Kohorte mit höherer Impfquote. Diese Befunde deuten darauf hin, dass das sogenannte Varicella-Zoster-Virus, das die Windpocken sowie Gürtelrose auslöst, kognitiven Verfall begünstigt.
Gürtelrose-Virus schädigt das Gehirn
Bei der Gürtelrose tritt typischerweise ein rötlicher Hautausschlag auf, der mitunter starke Schmerzen verursacht und alle Körperteile betreffen kann. Ursache dafür: Das Windpocken-Virus (auch Varicella-Zoster-Virus genannt), das zu den Herpesviren gehört. Viele Menschen stecken sich bereits in der Kindheit damit an und das Virus verbleibt ein Leben lang im Körper. Wird das Virus erneut aktiviert, wenn das Immunsystem geschwächt wird, kann die dadurch entstehende Gürtelrose zu schwerwiegenden Komplikationen führen, etwa zur Erblindung. Vor allem ältere Menschen sind hierbei gefährdet.
Schon in der Vergangenheit haben einige Studien ergeben, dass es einen Zusammenhang zwischen Demenzerkrankungen und Herpesviren geben könnte. Zu letzteren zählen nicht nur die Windpocken-Erreger, sondern beispielsweise ebenfalls das HSV-1-Virus. Die Viren befallen das Nervensystem und verursachen in manchen Fällen Enzephalitis. Experten vermuten, dass sie Schäden im Gehirn anrichten und so zur Degeneration der Nervenzellen beitragen, die u.A. bei Demenzpatienten zu beobachten ist.
Bildungsgrad als eigentlicher Schutzfaktor?
Der Impfstoff Zostavax reduziert die Häufigkeit von Gürtelrose um etwa 50 Prozent. In Wales, wo die in der Studie untersuchten Probanden lebten, werden nur Menschen damit geimpft, die nach dem 2. September 1933 geboren sind. Die Heidelberger Forscher schlossen in ihre Untersuchung daher eine Gruppe von Menschen ein, die eine Woche vor diesem Tag geboren sind und damit überwiegend nicht geimpft waren. Der andere Teil der Probanden wurde in der Woche nach diesem Tag geboren und wies daher eine Impfquote von 47 Prozent auf.
Zwar war es dadurch nicht möglich, geimpfte und ungeimpfte Menschen direkt miteinander zu vergleichen. Allerdings hat diese Methode laut den Wissenschaftlern einen großen Vorteil: Die beiden Gruppen unterscheiden sich vermutlich nicht wesentlich in anderen Faktoren voneinander, die ebenfalls einen potenziellen Einfluss auf das Demenz-Risiko haben. So wäre es beispielsweise denkbar, dass geimpfte Menschen tendenziell einen höheren Bildungsgrad aufweisen, welcher der eigentliche Grund für das seltenere Auftreten von Demenzerkrankungen sein könnte. Allerdings gibt es keinen Grund zur Annahme, dass sich die Menschen in der Studie systematisch in bestimmten Eigenschaften unterschieden, nur weil sie kurz vor oder kurz nach einem bestimmten Stichtag geboren sind.
Insbesondere Frauen profitieren von der Impfung
Wie die Daten der Studie zeigen, scheint die Gürtelrose-Impfung bei Frauen einen noch stärkeren Effekt gegen Demenz zu haben als bei Männern. Die Ursache könnte in den unterschiedlichen Wirkmechanismen des Immunsystems zwischen den Geschlechtern liegen – oder der Windpocken-Erreger verursacht mehr Demenz-Fälle bei Frauen als bei Männern.
Bei der Interpretation der Ergebnisse bleibt jedoch zu beachten, dass die Studie noch nicht von unabhängigen Experten überprüft wurde. Außerdem muss die Schutzwirkung der Gürtelrose-Impfung gegen Demenz erst noch durch weitere Forschung bestätigt werden, bevor man Empfehlungen für die Praxis formulieren kann.
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