Bisher galt eine mehrmonatige Immunität nach einer überstandenen Erkrankung mit Covid-19 zumindest als wahrscheinlich. Dabei helfen vom Immunsystem gebildete Antikörper die Erreger in Schach zu halten. Bei einer Reinfektion hält dieser Effekt dann weiter an und kann so ein erneutes Ausbrechen der Krankheit verhindern. Die Rheinland-Studie hat nun jedoch herausgefunden, dass im Fall von SARS-CoV-2 bei jedem fünften Genesenen der Schutz wieder vollkommen verschwindet. Das könnte nun auch Auswirkungen auf künftige Studien zur Immunität von SARS-CoV-2 haben.
Ein knappes halbes Jahr
Die Forschenden haben dazu das Blut von Sars-CoV-2-Infizierten untersucht und konnten feststellen, dass sich bei jedem Fünften etwa ein halbes Jahr nach der Infektion keine Antikörper mehr finden lassen. Die Ergebnisse, die aus der sogenannten Rheinland-Studie hervorgehen, weisen damit auf eine begrenzte Dauer der Immunität nach leichten oder asymptomatischen Infektionen mit Sars-CoV-2 hin. Insgesamt wurden 4.771 Studienteilnehmer bzw. deren Blutproben auf Antikörper untersucht. Mittels Standard-Tests wurden dann im Zeitraum vom 24. April bis 30. Juni 2020 bei 46 Teilnehmern IgG-Antikörper nachgewiesen. Diese bilden sich während und nach einer Infektion mit dem Coronavirus und liefern damit auch Hinweise auf eine überstandene Infektion.
Aufwendiger Test bringt genauen Nachweis
Mit den ausgewählten 46 Proben wurde im nächsten Schritt ein aufwendigerer Test, der sogenannte Plaque Reduction Neutralization Test (PRNT), durchgeführt. Dadurch kann geprüft werden, ob die Antikörper im Blutplasma der Infizierten in der Lage sind, künstlich angelegte Zellkulturen vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen. Der Funktionstest soll Auskunft über die vorhandene Immunität geben. Die Forschenden fanden auf diese Weise 22 Proben, die diesen Anforderungen entsprachen. Im letzten Schritt wurde 120 Tage später das Blutplasma der zuvor identifizierten Teilnehmer erneut überprüft. Das Ergebnis: Der Antikörper-Spiegel war bei den meisten Probanden deutlich gesunken. In weiteren vier Proben waren sogar überhaupt keine Antiköper mehr nachweisbar. Das lasse vermuten, dass die Immunität nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei einem leichten oder asymptomatischen Verlauf nur von begrenzter Dauer ist.
Derzeitige Testverfahren unzureichend
„Unsere Ergebnisse lassen dennoch den Schluss zu, dass das weit verbreitete, nur einstufige Verfahren zum Nachweis von Sars-CoV-2-Antikörpern mittels Immunoassay unzureichend ist, um eine überstandene Infektion zuverlässig nachzuweisen. In unserer Stichprobe hatte jedenfalls nur etwa ein Drittel der Personen, die beim Immunoassay positiv waren, tatsächlich spezifische Antikörper gegen Sars-CoV-2. Das sollte bei Studien zur Immunität berücksichtigt werden. Aus meiner Sicht ist ein mehrstufiges Testverfahren, wie wir es angewandt haben, dringend zu empfehlen“, stellt dazu Studienautorin Prof. Monique Breteler fest. Fraglich ist zudem auch, ob das Immunsystem von Betroffenen noch andere Mechanismen verwendet, um dennoch einen Schutz zu gewährleisten, wie zum Beispiel sogenannte T-Zellen.
Wenig über Dauer und Immunität bekannt
Von diesen Studiendaten lässt sich allerdings nicht direkt ableiten, inwieweit das Schwinden der Antikörper die Immunantwort beeinflusst, so auch Dr. Ahmad Aziz, DZNE-Wissenschaftler und Erstautor der aktuellen Veröffentlichung. „Der Rückgang an Antikörpern scheint relativ schnell zu gehen. Das Immunsystem hat allerdings weitere Instrumente, um Krankheitserreger abzuwehren. Antikörper sind zweifelslos bedeutsam, aber nur Teil eines größeren Arsenals. Andere Studien deuten darauf hin, dass eine andere Komponente, die wir die zelluläre Immunantwort nennen, trotz fallender Antikörper-Spiegel weiterhin Bestand haben kann“, so Aziz weiter.
„Seitens der Rheinland Studie wollen wir die Entwicklung der Pandemie weiterverfolgen und ihre Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit der Bevölkerung erfassen. Unsere Untersuchung ist die Grundlage dafür“, meint Breteler dazu. „Letztlich wollen wir helfen, besser zu verstehen, warum manche Menschen eine Infektion gar nicht bemerken und andere schwer erkranken.“
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