Gehirn, Herz, Lunge, Darm, Leber, Geruchssinn – und die Liste nimmt nicht ab. Das sind alles Bereiche, die durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 geschädigt werden können. Britische Forscher setzen der Liste an möglichen Symptomen und Folgeerkrankungen jetzt noch ein Sahnehäubchen obendrauf: Selbst die Ohren bleiben nicht vom Virus verschont: Im schlimmsten Fall droht Hörverlust.
Multiorgankrankheit Covid-19
Mittlerweile wurden bereits einige Studien durchgeführt, die sich mit den genauen Auswirkungen von Covid-19 auf die Organe des menschlichen Körpers auseinandersetzen. Schon im August 2020 wurde etwa die Beteiligung von Lunge, Rachen, Herz, Leber, Hirn und Nieren nachgewiesen. Zwar gibt es Viren, wie beispielsweise Masern und Mumps, die sich auch schädigend auf das Gehör auswirken können – das Coronavirus aber stand bisher nicht im Verdacht ein Auslöser für Hörschädigungen wie Tinnitus zu sein. Um dem nachzugehen, hat das britische Forscherteam mittels einer Meta-Analyse 56 Studien analysiert, die den Zusammenhang zwischen Problemen des Gehörs und Gleichgewichts unter Einfluss von Covid-19 näher beleuchten.
Tinnitus kommt am häufigsten vor
Bei der Auswertung der Ergebnisse fand sich Tinnitus bei 14,8 Prozent der Betroffenen an der Spitze, gefolgt von Hörverlust mit 7,6 Prozent der Betroffenen und Schwindel, der mit 7,2 Prozent der Betroffenen das Schlusslicht bildet. Dabei dürfen die Ergebnisse eher als richtungsweisend verstanden werden, da es Mängel bei der Qualität der Daten gab: „Obwohl diese Übersichtsarbeit weitere Beweise für eine Assoziation liefert, waren die von uns untersuchten Studien von unterschiedlicher Qualität, sodass noch weitere Arbeit geleistet werden muss“, meint etwa Studienautor Prof. Kevin Munro von der University of Manchester gegenüber der Presse.
Dringender Bedarf an weiterer Studie
Noch dazu handelte es sich bei den vorliegenden Studiendaten in erster Linie um Selbstberichte in der Form von Fragebögen oder medizinischen Aufzeichnungen. Seriöse Nachweise benötigen aber wissenschaftliche Untersuchungen, wie beispielsweise zuverlässige Hörtests, ergänzt das Forscherteam weiter. Daher „besteht ein dringender Bedarf an einer sorgfältig durchgeführten klinischen und diagnostischen Studie, um die langfristigen Auswirkungen von Covid-19 auf das auditorische System zu verstehen“, gesteht sich Professor Munro ein. Parallel arbeitet er aber an einer einjährigen Studie, die sich auf mögliche Langzeitfolgen durch Covid-19 auf das Gehör konzentriert. Im Fokus stehen vor allem Patienten, die zuvor wegen einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus behandelt wurden. Damit soll eine ungefähre Prozentzahl errechnet werden, um das Auftreten derartiger Komplikationen zukünftig besser einschätzen zu können. Auch erhofft sich das Team besser verstehen zu können, welche Teile des Gehörs bei einer Infektion im Detail betroffen sind.
Hinweise verdichten sich weiter
Weitere Hinweise auf eine Beteiligung des Gehörgangs liefert zudem eine andere Studie von Professor Munro, die bei 13 Prozent der Betroffenen einen Hörverlust feststellte. Die steigende Anzahl an durchgeführten Studien führt ebenfalls zu einer wachsenden Evidenzbasis in diese Richtung, erläutert Studienautor Dr. Ibrahim Almufarrij. Für verwertbare Daten müssen jedoch unbedingt auch andere Faktoren eingebunden werden: „In den letzten Monaten habe ich zahlreiche E-Mails von Menschen erhalten, die über eine Veränderung ihres Hörvermögens oder Tinnitus nach der Covid-19-Erkrankung berichteten. Das ist zwar alarmierend, aber Vorsicht ist geboten, da unklar ist, ob die Veränderungen des Gehörs direkt auf Covid-19 zurückzuführen sind oder auf andere Faktoren, wie beispielsweise Behandlungen zur Akutversorgung“, betont Professor Munro.
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