Auch wenn Essstörungen und vor allem Magersucht, die Anorexia nervosa, meist psychologische Hintergründe aufweisen, zeigen nun neue Untersuchungen, inwiefern auch die Darmflora eine Rolle bei derartigen Krankheitsbildern spielt.
Ungesundes Verhältnis zum Essen
Die bekannteste und sehr weit verbreitete Essstörung Anorexie lässt sich hauptsächlich an dem Symptom der stark eingeschränkten Nahrungsaufnahme erkennen. Betroffene verbieten sich selbst den Verzehr bestimmter Lebensmittel. Meist wird auch in extremer Weise darauf geachtet, wie viele Kalorien pro Tag verbraucht und wieder aufgenommen werden. Gekennzeichnet ist die Krankheit auch durch eine krankhafte Angst vor Gewichtszunahme. Erkrankte leiden somit meist an starkem und rapidem Gewichtsverlust und haben eine verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers, sodass mögliches Untergewicht nicht erkannt und immer weiter gehungert wird.
Ursachen einer Essstörung
Bei den Ursachen von Essstörungen wie Magersucht werden von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter anderem biologische Gegebenheiten genannt, wie zum Beispiel eine erbliche Veranlagung, ein gestörtes Essverhalten schon während der Kindheit oder auch bestimmte Aspekte der persönlichen Entwicklung, wie ein niedriges Selbstwertgefühl oder die Sorge um das eigene Gewicht und Aussehen. Einer der wichtigsten Gründe ist jedoch der gesellschaftliche Einfluss und somit das vorherrschende schlanke Schönheitsideal, an dem sich viele Betroffene orientieren. Grundsätzlich ordnet die Medizin eine Essstörung darunter ein, dass kein normales Verhältnis mehr zum Vorgang des Essens besteht. Aufgrund der Vielschichtigkeit und der verschiedenen Ursprünge der Erkrankung ist es immer noch sehr schwierig, diese zu behandeln.
Darmflora spielt auch eine Rolle
Nicht nur die bereits genannten psychosozialen Faktoren bestimmen die Entwicklung und den Verlauf der Krankheit, sondern auch die Darmflora. Laut des BZfE, des Bundeszentrum für Ernährung, haben bestimmte Darmbakterien Einfluss auf eine Essstörung wie zum Beispiel die Magersucht. Der Darm jedes Menschen beinhaltet eine spezielle und einzigartige Zusammensetzung einer Bakteriengemeinschaft, das Mikrobiom. Dieses beeinflusst verschiedene Eigenschaften unserer Gesundheit, wie zum Beispiel Appetitverhalten, Gewicht und Psyche. Das Mikrobiom ist allerdings nicht der einzige Bestandteil unseres Darms, der eine Verbindung zu unserem Gehirn und somit Einfluss auf unser Essverhalten hat, auch das enterische Nervensystem und Zytokine haben diese Fähigkeit. Es besteht also durchaus eine Art Kommunikation zwischen unserem Gehirn und unserem Magen.
Verbindung von Darmmikrobiom und Magersucht
Die Wissenschaftler der University of Oxford suchten somit nach einem potenziellen Zusammenhang zwischen Magersucht und Darmmikrobiom und werteten entsprechende Studien dazu aus.
Nach Studienleiter Dr. Phil Burnet sei es bei diesen Untersuchungen auffällig, dass bei der Krankheit Anorexie das Mikrobiom weniger Vielfalt aufweisen würde und auch einen höheren Anteil an potenziell schädlichen Arten enthalte. Das heißt, dass der Darm dieser Patienten mehr Bakterien umfasse, die die schützende Schleimschicht verdauen. Der Darm kann somit auch als „undicht“ bezeichnet werden, was dazu führt, dass leichter chronische Entzündungen entstehen. Dieser Umstand wird häufig mit psychischen Problemen wie Depressionen oder Angstzuständen verbunden, die auch Essstörungen in den meisten Fällen begleiten. Hinzu kommen nachgewiesene Mikroorganismen im Darm, die häufig negative Effekte wie Appetitverlust, Verdauungsprobleme, Gewichtsverlust oder -zunahme sowie Stoffwechselprobleme hervorrufen.
Es gibt bereits erste Hinweise auf den möglichen Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Essstörung: Nach Versuchen mit Mäusen ohne eigenes Mikrobiom, denen Kotproben von Magersucht-Erkrankten in den Darm übertragen wurden, wurde festgestellt, dass die Tiere weniger wogen und mehr ängstliche und zwanghafte Verhaltensweisen entwickelten als diejenigen, die Darmbakterien gesunder Patienten verabreicht bekamen.
Trotz weiter Verbreitung: Essstörungen noch wenig erforscht
Das Thema Essstörungen und Gewichtsverlust oder -zunahme ist aktueller denn je, da es während der Corona-Pandemie immer mehr Menschen gibt, die in ungesunde Ernährungsmuster verfallen. Man verbringt mehr Zeit zu Hause und hat dementsprechend auch mehr Zeit dafür, sich mit seinem Essverhalten auseinanderzusetzen.
Obwohl verschiedene Formen von Essstörungen existieren, sind mögliche Ursachen immer noch wenig erforscht – gerade, weil diese Krankheiten eng mit der Psyche des Menschen verbunden sind. Aufgrund der unzureichenden Forschung hierzu ist momentan aber noch unklar, ob ein Ungleichgewicht im Mikrobiom tatsächlich eine Essstörung auslösen kann oder ob der Darm erst aufgrund der drastisch eingeschränkten Nahrungsaufnahme in Mitleidenschaft gezogen wird.
Probiotische Nahrungsergänzung – Die Lösung?
Aufgrund der genannten Versuche und Untersuchungen sowie der Tatsache, dass sich im Magen-Darm-Trakt von Magersüchtigen deutlich weniger natürliche Darmbakterien befinden als bei gesunden Menschen, besteht die Möglichkeit, dass mithilfe eines gezielten Aufbaus der Darmflora Magersucht-Patienten aktiv geholfen werden könnte. Dies könnte beispielsweise durch probiotische Nahrungsergänzung gelingen.
Da es sich bei den Studienergebnissen aktuell noch um Hypothesen handelt, kann man an dieser Stelle jedoch festhalten, dass sich Wissenschaftler noch nicht ganz einig darüber sind, wie ein gesundes Mikrobiom überhaupt aussehen soll. Es wird angenommen, dass bei jedem Menschen unterschiedliche Zusammensetzungen des Darmmikrobioms optimal sind.
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