Ständiger Stress kann neben zahlreichen Folgeerkrankungen auch zu einem Burn-out-Syndrom führen. Das bedeutet nicht nur eine Einschränkung der Lebensqualität, auch die Gefahr für Arbeitsunfälle erhöht sich. Ein russisches Forscherteam aus Nowosibirsk hat jedoch auch feststellen können, dass ein Zusammenhang zwischen dem erhöhten Auftreten von Herzinfarkten und andauernder Erschöpfung besteht. Das macht Stress und dessen Auswirkungen umso gefährlicher.
Die vergessene Gemütlichkeit
Hört man der älteren Generation zu und befragt sie zu deren Arbeitsbedingungen, erhält man selten als Antwort, dass besonders Stress den Alltag dominiert hätte. Einerseits führte die wachsende Digitalisierung und Kommerzialisierung zu einem immer schneller werdenden Berufsleben, da physische Wege zunehmend ausbleiben. Dadurch ist andererseits eine ständige Verfügbarkeit gegeben, da mittlerweile fast ein jeder ein Smartphone oder Laptop besitzt. Früher hingegen, als es nur Festnetz und kein Internet gab, war es manchmal schwer jemanden privat zu erreichen. Auch unterschieden sich die familiären Situationen von den heutigen, indem etwa mehrere Generationen oftmals zusammen in einem Haus wohnten.
Das starke Geschlecht – oder doch nicht?
Die in die Jahre gekommene Bezeichnung „Männer – das starke Geschlecht“ ist nicht nur in der Zwischenzeit längst Schnee von gestern, auch bei der neuen Studie zeigte sich ein gegensätzliches Bild: Die Zunahme an privatem und beruflichem Stress führt immer öfter zum Burn-out-Syndrom, wobei sich dadurch vor allem bei Männern ein höheres Risiko für Herzinfarkte in Folge zeigt. Dr. Dimitriy Panov vom Institut für Zytologie und Genetik in Nowosibirsk nimmt an, dass die Ursache für die vitale Erschöpfung „eine Reaktion auf hartnäckige Probleme im Leben der Menschen ist, insbesondere wenn sie nicht in der Lage sind, sich an eine längere Exposition gegenüber psychologischen Stressoren anzupassen.“ Betroffen sind demnach hauptsächlich Personen, bei denen keine oder eine fehlerhafte Anpassung an neue Lebensumstände erfolgt, was weitere Probleme mit sich bringt.
Fast dreifaches Herzinfarktrisiko
Insgesamt 657 Studienteilnehmer im Alter von 25 bis 64 Jahren wurden für die Studie 14 Jahre lang beobachtet. Der Grad der Erschöpfung wurde anhand von Symptomen erfasst und in drei Untergruppen klassifiziert: keine, moderate und hohe Erschöpfung. Nach Analyse der Daten kamen die Forscher auf ein teils besorgniserregendes Ergebnis: Männer mit moderater oder hoher Erschöpfung haben ein 2,7-fach erhöhtes Herzinfarktrisiko – sogar ohne bisherige Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das macht Stress, egal in welcher Form, noch gefährlicher als bisher angenommen.
Soziale Faktoren entscheidend
Vor allem hinsichtlich der sozialen Verhältnissen der Teilnehmer, beispielsweise Familienstand, Beruf und Bildungsstand, zeigten sich mehrere Zusammenhänge in der Auswertung: Ein hohes Burn-out-Risiko haben vor allem Männer, die unverheiratet, geschieden oder verwitwet sind. Aber auch der Bildungsstand scheint eine wichtige Rolle zu spielen: Personen, die nur einen Grundschulabschluss besaßen, hatten ein 2,2 Mal so hohes Risiko als jene mit einem Universitätsabschluss. Im Vergleich der Altersgruppen fanden sich sogar noch größere Unterschiede: Am größten fällt dieser bei den 55- bis 64-jährigen aus, die ein sechsfach erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt durch Burn-out aufweisen, verglichen mit der Altersgruppe der 24- bis 34-jährigen. Doch auch 45- bis 54-jährige haben bereits ein vier Mal höheres Risiko, was die Wichtigkeit einer möglichst frühen Erkennung und Gegensteuerung hervorhebt.
Nicht verzweifeln
Sich selbst zu helfen wissen ist somit bedeutsamer als angenommen. Verzweifeln sollte man(n) aber vermeiden, da sich die Situation sonst nur weiter verschlimmert. Damit aus einer Trennung oder einer kurzen Phase der Einsamkeit kein lebensbedrohlicher Zustand wird, kann eine Psychotherapie eine große Hilfe sein. Dort wird nicht nur versucht mit negativen Emotionen besser umzugehen, auch werden unter anderem Werte wie Eigenständigkeit, Selbstbewusstsein und Selbstreflektion fokussiert, die im Endeffekt sowohl zu einem besseren Lebensgefühl als auch einer höheren Lebensqualität führen können. Wichtig ist aber vor allem der eigene Wille, denn sonst sind diese Veränderungen nur von kurzer Dauer.
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