Um ein Virus zu bekämpfen, formt der Körper eine Immunantwort. Teil dieser Reaktion ist das Bilden von Antikörpern, die die Viren neutralisieren. Doch britische Forschende fanden nun heraus, dass dieser Prozess bei manchen Menschen von einem körpereigenen Molekül beeinträchtigt wird.
Biliverdin als Schutzschild vor Antikörpern
Bei Analysen von SARS-CoV-2-Proteinen stieß ein Forschungsteam des Francis Crick Institute, des Imperial College London, des King’s College London und des University College London zufällig auf eine interessante Wechselwirkung. Sie entdeckten, dass das Coronavirus sich mit einem Abbauprodukt des Blutes vor der Immunantwort des Körpers schützt. Biliverdin, das beim Abbau von Hämoglobin entsteht, bindet sich demnach an die Spike-Proteine von SARS-CoV-2, sodass Antikörper bei ihrer Aufgabe behindert werden. Diese Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich im Fachblatt „Science Advances„.
Ungewöhnliche Grünfärbung entdeckt
Bei der Entwicklung von Tests zur Immunität gegen das Coronavirus bemerkte das britische Forschungsteam eine ungewöhnliche Grünfärbung des Spike-Proteins. Sie fanden die Ursache dafür in einer starken Verbindung mit Biliverdin. Das Abbauprodukt kennen wir zum Beispiel von blauen Flecken, die sich nach einiger Zeit grünlich färben. Doch in dieser neuen Rolle schützt es die SARS-CoV-2-Proteine vor der Neutralisation durch Antikörper. Die Forschenden untersuchten die Verbindung anhand von Blutseren von Covid-19-Genesenen genauer. Dabei stellten sie fest, dass Biliverdin die Wirkung von Antikörpern sogar um bis zu 50 Prozent reduzierte.
Biliverdin entsteht durch Schäden
Um die Wechselwirkung besser zu verstehen, nutzte die Arbeitsgruppe Kryo-Elektronenmikroskopie und Röntgenkristallographie. So fanden sie heraus, dass das grün-färbende Molekül an eine Stelle am Ende des Spikes namens N-Terminus bindet. Das führt zu einer Stabilisierung, wodurch Antikörper nicht mehr so leicht an das Protein binden und es neutralisieren können. „Wenn SARS-CoV-2 die Lunge eines Patienten infiziert, schädigt es die Blutgefäße und verursacht einen Anstieg der Anzahl der Immunzellen“, erklärt Studienautorin Dr. Annachiara Rosa. Diese Effekte könnten zu erhöhten Biliverdinspiegeln im umliegenden Gewebe beitragen. Das kommt wiederum dem Virus zugute: Je mehr Biliverdin vorhanden ist, desto besser kann es sich vor Antikörpern verstecken und überleben. „Das ist ein wirklich auffälliger Prozess, da das Virus möglicherweise von einem Nebeneffekt des Schadens profitiert, den es bereits verursacht hat“, so die Forscherin.
Eventuell als Angriffspunkt nutzbar
Bereits in den ersten Monaten der Pandemie fiel dem Forschungsteam die ungewöhnliche Färbung des Proteins auf. Doch zu dieser Zeit waren sie sehr damit beschäftigt, Antigene für Tests auf SARS-CoV-2 zu erforschen. Außerdem erwarteten sie eine banale Erklärung für das Phänomen, erinnert sich Studienleiter Peter Cherepanov. „Stattdessen waren wir erstaunt, einen neuen Trick zu entdecken, den das Virus anwendet, um die Erkennung durch Antikörper zu vermeiden“, so der Forscher. In weiteren Studien sollen etwaige Wechselwirkungen mit anderen Abbauprodukten untersucht werden. Außerdem wollen die Forschenden überprüfen, ob sich die Biliverdin-Bindungsstelle kapern lässt, was neue Wege im Kampf gegen das Virus eröffnen würde.
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