Smartwatches sind längst nicht mehr nur eine technische Spielerei. Mittlerweile besitzen sie einige nützliche Funktionen, die früher nur Fitness-Trackern vorbehalten waren. Obendrein werden sie von Jahr zu Jahr präziser bei der Messung. Diesen Nutzen erkannten nun auch Forscher am LMU Klinikum München im Rahmen einer Studie. Die smarten Uhren sollen in Zukunft sogar Spitalsaufenthalte vermeiden können.
Aus einem Gadget wird ein Messgerät
Noch vor nicht allzu vielen Jahren erweiterten Smartwatches bloß die bestehenden Funktionen von Smartphones. Nach und nach wurden die kleinen Helfer aber um eigenständige Features erweitert: Sie messen die Herzfrequenz, zählen die tägliche Schrittanzahl und ermitteln die verbrauchten Kalorien. Aber auch Sensoren zur Messung der Sauerstoffsättigung im Blut finden auf den Uhren von einigen Herstellern mittlerweile Platz. Mithilfe von eigens programmierten Apps entstehen so verschiedene Einsatzzwecke für die Uhren. Unter anderem beschäftigen sich einige Studien mit einer Corona-Warn-App, die über den Puls und die Sauerstoffsättigung den Benutzer vor einer möglichen Infektion warnen soll.
Uhr erkennt schweren Krankheitsverlauf
Ein interessanter neuer Vorstoß kommt nun aus München: Bei einer Studie werden Corona-Patienten 30 Tage lang mit einer Hybrid-Smartwatch ausgestattet. Diese besitzt nicht alle Funktionen einer herkömmlichen Smartwatch und ist daher eine Mischung aus mechanischer Uhr und Fitnesstracker. Die verbauten Sensoren zeichnen dabei einfache EKGs auf, welche Herzrate als auch Sauerstoffsättigung abdecken. Ist bei Infizierten der Puls zu hoch und die Sättigung zu niedrig, deutet dies auf einen schweren Verlauf von Covid-19 hin. Hierbei rät die Hybrid-Smartwatch dann zu einem Spitalsaufenthalt. Umgekehrt verläuft es, wenn die Werte im grünen Bereich sind: Die Erkrankung kann dann bedenkenlos in häuslicher Quarantäne auskuriert werden.
Dringend notwendige Entlastung für Krankenhäuser
„Corona-Patienten ohne schweren Verlauf binden im Krankenhaus viele Ressourcen, die dann für Patienten fehlen, die wirklich stationär behandelt werden müssen“, erklärt Studienleiter Moritz Sinner vom LMU Klinikum München in einer Pressemitteilung. Ohne ärztliche Hilfe ist es Betroffenen fast unmöglich zu entscheiden, ob ein Krankenhausaufenthalt nötig sei oder nicht. Je nach Infektionsrate sind die Krankenhäuser aber schon am Rande ihrer Kapazitäten, was die Situation umso schwerer macht. Smartwatches könnten hier Abhilfe schaffen und unnötige Spitalsaufenthalte auf ein Minimum reduzieren. Damit würde auch das Personal entlastet werden.
Handhabung ist simpel
Damit die Studienteilnehmer ein möglichst verlässliches Ergebnis erhalten, ist nur zwei Mal täglich eine Messung mit der Smartwatch nötig. Dazu genügt es die rechte Hand für einige Sekunden auf die Uhr zu legen und die Daten auf der App zu kontrollieren. Mittels Warnhinweisen wird der Benutzer benachrichtigt, sollte ein kritischer Wert vorliegen. Dies betrifft aber nicht nur den Puls und die Sauerstoffsättigung. Auch Herzrhythmusstörungen und ein hoher Ruhepuls können auf einen schweren Verlauf von Covid-19 hinweisen. Diese Daten werden daher ebenfalls aufgezeichnet und analysiert. Sie stehen dann auch später dem medizinischen Fachpersonal zur Verfügung, was eine Behandlung weiter vereinfacht. Aber auch Patienten wird im Falle einer Ansteckung ein besseres Gefühl vermittelt: „Eine Corona-Erkrankung erzeugt enorme Unsicherheit. Viele Patienten sind deshalb froh, dass sie selber messen können. Zu wissen, dass die Sauerstoffsättigung einen hohen Wert von 98 Prozent aufweist, obwohl man sich gerade sehr schlecht fühlt, hilft dabei Ruhe zu bewahren und sich ganz auf die Genesung zu konzentrieren“, ergänzt Sinner.
Herausforderungen durch neue Ära der Medizin
Laut Sinner gibt es keine Zweifel mehr daran, dass Smartwatches mit zertifizierten Sensoren, wie sie heute schon erhältlich sind, zuverlässige medizinische Werte liefern. Vergleicht man die Sauerstoffmessung der Uhren mit Geräten, die in der Medizin Einsatz finden, gibt es nur noch geringe Unterschiede bei der Genauigkeit. Zwar liefert das EKG der Smartwatch nur eine Linie statt der 12 Kanäle, wie es bei medizinischen Geräten üblich ist, dennoch können anhand dieses Kanals Parameter wie Herzfrequenz oder Herzrhythmusstörungen gut beurteilt werden.
Apps können aber nicht immer die alleinige Stütze sein – manchmal bleibt nur das Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens. Mit der Unterstützung durch Smartphones ergeben sich zudem neue Herausforderungen: „Gleichzeitig müssen wir Wege finden, wie wir mit diesen vielen Befunden umgehen, die Patienten quasi ununterbrochen in die Hand bekommen und allein oft nicht interpretieren können“, so Sinner dazu. Für ihn sei es vorstellbar, dass ein Teil der Diagnostik oder die Überwachung der Gesundheitsdaten die Smartwatch-Hersteller gegen ein Entgelt selbst übernehmen. Wichtig sei dabei aber, dass die Politik hinsichtlich des Datenschutzes explizite Vorgaben liefert, da die Technologiefirmen hier andernfalls womöglich nachteilig für den Konsumenten vorgehen.
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