Früchte sind gesund – oder etwa doch nicht? Neben Vitaminen enthält Obst nämlich sehr viel Fruktose, auch Fruchtzucker genannt. Dieser könnte auf Dauer großen Schaden im Gehirn anrichten, vermuten Forscher der University of Colorado. In ihrem Fachartikel, der kürzlich im „American Journal of Clinical Nutrition“ erschien, stellten die Wissenschaftler eine drastische Hypothese auf: Zu viel Fruchtzucker führe zu Alzheimer-Demenz.
Ein Überlebenstrieb wird zum Verhängnis
Die Forscher begründen ihre Annahme folgendermaßen: Wir Menschen tragen eine Art Überlebensmechanismus in uns, der ein Überbleibsel der Evolution ist. In der frühen Menschheitsgeschichte hatten unsere Vorfahren nämlich im Gegensatz zu uns jetzt nicht ausreichend Lebensmittel zur Verfügung. Stattdessen waren sie gezwungen sich immer wieder auf die Suche danach zu machen, wofür alle Gedanken, die nichts mit Nahrung zu tun hatten, abgeschaltet werden mussten. So wären beispielsweise Erinnerungen an vergangene Ereignisse oder das Zeitgefühl nur unnötige Ablenkungen gewesen. Stattdessen wurde ein Bewusstseinszustand benötigt, der durch erhöhte Konzentration, Entscheidungsfreude und Risikobereitschaft gekennzeichnet war. Für diese Veränderung der Hirnaktivität war ein bestimmter Nährstoff verantwortlich: Fruchtzucker. So zumindest die Hypothese der Forscher.
Ungesunde Ernährung führt zu Entzündungen im Gehirn
Bleibt die Frage, inwiefern der Trieb nach Nahrungssuche Demenz verursacht. Hierfür haben die Wissenschaftler folgende Erklärung: Während der evolutionär bedingte Mechanismus, angefeuert durch Fruchtzucker, in der frühen Menschheitsgeschichte überlebenswichtig war, schadet er uns modernen Menschen eher, denn heutzutage haben viele von uns ein Übermaß an Fruchtzucker in ihrem Organismus. Daran ist nicht unbedingt Obst schuld – der Fruchtzucker steckt auch in vielen verarbeiteten Lebensmitteln, etwa in Softdrinks. Außerdem produziert der Organismus vermehrt Fruktose, wenn häufig fettige und salzige Mahlzeiten gegessen werden. Durch ungesunde Ernährung ist der auf Nahrungssuche programmierte Bewusstseinszustand also ständig aktiv. Die Folge: Entzündungen im Gehirn, die schließlich die Ursache für Alzheimer-Demenz sein können.
Fruktose in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten
Die Forscher listen einige Forschungsergebnisse auf, die für ihre Theorie sprechen: In einem Experiment wurden Mäuse mit Fruktose gefüttert, woraufhin sich die Tiere schlechter in einem Labyrinth orientieren konnten und Entzündungen im Nervensystem aufwiesen. Außerdem kam es im Gehirn der Mäuse zur Bildung von bestimmten Proteinen, die auch bei Menschen mit Alzheimer beobachtet werden können. In weiteren Studien wurden in den Gehirnen von Demenz-Patienten hohe Konzentrationen an Fruktose festgestellt.
Ist Fruchtzucker wirklich die Ursache von Demenz?
Die Theorie der Forscher mag plausibel klingen. Doch stimmt sie auch? Dr. Linda Thienpont, Expertin von der Alzheimer Forschung Initiative e.V., weist im Interview mit dem „Focus“ auf weitere Befunde hin, die die Annahmen untermauern. Dazu zähle etwa die Tatsache, dass eine Ernährung, die auf mediterranen Lebensmitteln beruht, Alzheimer verhindern kann. Ihrer Ansicht nach sei es dennoch „unwahrscheinlich, dass die Ernährung die alleinige Ursache von Alzheimer darstellt. Man geht viel mehr davon aus, dass es sich um eine multifaktoriell bedingte Krankheit handelt.“
Auch die Forscher der University of Colorado selbst sehen die Notwendigkeit für weitere Forschung. Ihrer Meinung nach sollte nun untersucht werden, ob durch bestimmte Medikamente die Fruktose-Produktion reduziert und die Alzheimer-Krankheit verhindert dadurch werden könne.
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