In der Schweiz geraten Spitäler aktuell wegen zunehmender Einlieferungen von Kindern mit schweren Atemwegserkrankungen an ihre Grenzen. Ursache dafür ist die drastisch steigende Zahl ader RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) -Fälle, die vor allem Babys und Kleinkinder betreffen. Schweizer Krankenhäuser müssen sich wegen Bettengpässen somit mittlerweile gegenseitig aushelfen. Auch in Deutschland fürchtet man gegen Jahresende eine ähnliche Entwicklung.
Dramatischer Anstieg seit Februar
COVID-19 steht seit langer Zeit im Zentrum der Debatte, wenn es um die Auslastung von Krankenhäusern geht. Wie eine aktuelle Entwicklung in der Schweiz allerdings zeigt, ist SARS-CoV-2 nicht das einzige Virus, das Bettkapazitäten in problematischem Ausmaß beansprucht: Während im Februar die Zahl der wöchentlichen RSV-Fälle in der Schweiz noch unter 10 lag, waren es Anfang Juli bereits 115. Diesen extremen Anstieg vermeldete zuletzt die „Pädiatrische Infektiologie Gruppe Schweiz“. Der Großteil der betroffenen Kinder müsse ins Spital eingeliefert werden; einige benötigen in weiterer Folge sogar eine Beatmung. Vor allem in den Kantonen Zürich und Graubünden sei die Lage besonders kritisch.
Müssen bald Kinder abgewiesen werden?
Die meisten Kinder, die aufgrund einer RSV-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden, sind maximal ein Jahr alt. Im Kantonsspital Winterthur zeigt man sich in der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin besonders besorgt über die aktuelle Auslastung der Spitäler. „Wir sind teilweise gezwungen, Kinder aus Platzmangel in andere Kinderkliniken der Region zu verlegen. Wenn die Zahlen noch weiter im gleichen Maße ansteigen, kann eine Überlastung der Bettenkapazität in der ganzen Region nicht ausgeschlossen werden“, so die Sprecherin des Departments, Meret Ann von Arx. Derzeit hoffe man auf eine Abnahme der Fälle bedingt durch das sommerliche Wetter, da das RS-Virus sich in der Regel schlechter verbreiten kann, wenn Menschen sich seltener gruppiert in Innenräumen aufhalten.
RSV: Das sind die Symptome
Das Respiratorische Synzytial-Virus gehört zu den am weitesten verbreiteten Erregern von Atemwegsinfekten bei Säuglingen und Kleinkindern. Es handelt sich um ein sogenanntes RNA-Virus, das sich in den Schleimhäuten der Atemwege vermehrt. In der Regel ähneln die Symptome denen einer gewöhnlichen Influenza-Grippe: Dazu zählen Schnupfen, trockener Husten, sowie Niesen und Halsschmerzen. Setzen sich die Viren auch in den Bronchien nieder, so spricht man von einer RSV-Bronchiolitis. Diese macht sich etwa drei Tage nach dem Beginn der Erkrankung durch Symptome wie Fieber, beschleunigte Atmung oder einer eingesunkenen Fontanelle bei Kindern unter 18 Monaten bemerkbar. Im schlimmsten Fall kann es bei Neugeborenen wiederholt zu Atemstillständen kommen. Todesfälle treten in der Regel aber nur äußerst selten auf.
Verschlimmert sich die Lage bald auch in Deutschland ?
Ein wahrscheinlicher Grund für das vermehrte Vorkommen von RSV-Fällen sind laut Medizinern die COVID-19-bedingten Lockdowns im vergangenen Jahr. Kinder hätten sich dadurch weniger leicht immunisieren können, deshalb komme es jetzt zu weitaus mehr Ansteckungen. Das Phänomen ungewöhnlich vieler RSV-Fälle und dementsprechend ausgelasteten Krankenhäusern könne man aktuell auch in Neuseeland und den USA beobachten; in Deutschland wird eine ähnliche Entwicklung gegen Ende des Jahres erwartet. „Wir haben nun einen Jahrgang, der sich während des Lockdowns nicht angesteckt hatte und so auch noch keine spezifische Immunität gegen bestimmte Viren aufgebaut hat. (…) Wenn die Influenza– und RS-Viren im Winter wieder rumgehen, holen sie die Infektionen nach. (…) Wir bereiten uns auf einen heftigen Winter vor“, meint Johannes Hübner, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. (DGPI)
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