Wir alle kennen sie: Ob man sie nun im Herbst mit seinen jüngeren Verwandten sammelt, um anschließend eine Halskette aus ihnen zu basteln oder sie im Winter beim Maroni-Verkäufer um die Ecke verspeist – die Nussfrüchte der Edelkastanie bestechen durch ihr warmes Braun und ihren guten Geschmack. Eine in Frontiers veröffentlichte Studie weist nun erneut auf die Wirksamkeit ihrer Blätter im Kampf gegen Staphylococcus (S.) aureus hin. Ein Bakterium, das hauptsächlich in Krankenhäusern eine große Problematik darstellt, weil viele seiner Stämme bereits Antibiotika-resistent sind.
Vom Begleiter zum Angreifer
S. aureus ist vor allem im Nasenvorhof, dem eigentlichen Reservoir des Bakteriums, bei 15 bis 40 Prozent der gesunden Erwachsenen zu finden und kann sich unter anderem auf Hände und Rachen ausbreiten. Normalerweise bilden Haut und Schleimhaut natürliche Barrieren gegen das Bakterium. Ist der Körper aber durch Hautverletzungen, eine geschwächte Immunabwehr oder einen Immundefekt wie zum Beispiel Diabetes mellitus beeinträchtigt, begünstigt das das Auftreten einer Staphylokokken-Infektion. Häufigstes Krankheitsbild sind Hautinfektionen, die Abszesse hervorrufen können und sehr ansteckend sind. Neben der möglichen Selbstinfektion überträgt es sich auch beim Hautkontakt über die Hände (Schmierinfektion).
Methicillin-resistenter S. aureus (MRSA)
Seit den 1960er Jahren kommt es durch den erhöhten Einsatz von Antibiotika zu einer zunehmend auftretenden Staphylokokken-Art, dem sogenannten Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA). Die Bezeichnung leitet sich davon ab, dass Bakterien mithilfe von Methicillin, einer Art Penicillin, das zur Gruppe der Beta-Laktam-Antibiotika gezählt wird, auf Resistenzen getestet werden. Erreicht haben sie diese Resistenz durch die Bildung eines zusätzlichen Penicillin-Bindungsproteins (PBP2a), das nur geringe Affinität für Beta-Laktam-Antibiotika hat. Der Name ist jedoch etwas irreführend, da die meisten der MRSA-Stämme auch gegen andere Antibiotika-Gruppen resistent sind, also multiresistent.
MRSA und ihre Rolle in Krankenhäusern
MRSA ist in Europa der häufigste Auslöser von nosokomialen Infektionen, also sogenannten „Krankenhausinfektionen“. Bezogen auf alle Infektionen mit S. aureus, machen MRSA in Deutschland knapp 21 Prozent des klinisch relevanten Untersuchungsmaterials aus und verursachen etwa 37 Prozent der nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen. Da in Krankenhäusern vermehrt Antibiotika eingesetzt werden, ist das Personal oft Träger resistenter Stämme. Die Schmierinfektion ist hierbei nicht zu unterschätzen und die strikte Einhaltung der Hygienevorschriften oft entscheidend.
Bedarf an Alternativen steigt
Um dieser Plage nun nachhaltig entgegenwirken zu können und insbesondere weitere Resistenzen zu verhindern, machten sich Forscher nun auf die Suche nach Alternativen. Ein Team aus dem US-Bundesstaat Atlanta befragte dafür jahrelang Heilkundige aus dem Mittelmeerraum und stieß dabei wiederholte Male auf die Edelkastanie. In Italien werden ihre Blätter traditionell zu Tee gekocht, um damit Hautausschläge und Verbrennungen zu behandeln. Inspiriert von dieser Technik extrahierte das Team 94 verschiedene Inhaltsstoffe, die den Blättern des Buchengewächses vermutlich als Abwehrstoffe gegen Pilzbefall und Insekten dienen. Im Gegensatz zu Beta-Laktam-Antibiotika, die die Zellwandsynthese der Bakterien hemmen, zielt das Extrakt der Edelkastanie darauf ab ihre Toxinproduktion zu blockieren, sie also unschädlich zu machen ohne sie dabei abzutöten.
Bakterien-Kommunikation wird gestört
Um Toxine produzieren zu können, müssen Bakterien in der Lage sein miteinander zu „kommunizieren“. Dieser Prozess wird Quorum-Sensing genannt. Hierbei tasten sich die Bakterien gegenseitig ab, was dazu führt, dass die Toxinproduktion und ihre Vermehrung angeregt werden. Das Extrakt aus der Edelkastanie dockt genau an dieser Stelle an und blockiert ihre Kommunikation. Dadurch, dass die Bakterien bei diesem Prozess nicht abgetötet werden, konnte bei deren Behandlung auch nach zwei Wochen keine Bildung von Resistenzen beobachtet werden.
Vielversprechendes Naturheilmittel
Nicht nur, dass die bedrohlichen Resistenzen dadurch verhindert werden können – Experimente mit Mäusen und Menschen zeugen auch von der generellen Wirksamkeit des Extrakts. Infektionen sind damit sehr viel besser abgeklungen und die Mikroflora der menschlichen Haut blieb intakt. Cassandra L. Quave, Mitwirkende in der Studie, appelliert daran, dass man sich zukünftig mehr auf die Behandlung der Patienten als auf das Bakterium selbst konzentrieren sollte. Es gehe vor allem darum, es so zu schwächen, dass sowohl das menschliche Immunsystem als auch Antibiotika wieder eine faire Chance bekommen, dagegen ankämpfen zu können.
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