Ein gesunder Mensch verfügt über fünf Sinne. Einen davon zu verlieren, stellt für Betroffene meist eine große Herausforderung dar. Forschenden gelang nun das Unvorstellbare: Durch optogenetische Therapie schafften sie es, die Sehkraft eines Erblindeten partiell wieder herzustellen.
Optogenetik ersetzt Fotorezeptoren
Dank besonderer Zellen in unserer Netzhaut, den Fotorezeptoren, können wir die Welt optisch wahrnehmen. Diese Nervenzellen reagieren auf Licht und senden die Information in Form von elektrischen Signalen über den Sehnerv weiter zum Gehirn. Bei einigen Erbkrankheiten sterben diese Fotorezeptoren jedoch ab, sodass die Betroffenen ihre Sehkraft teilweise oder sogar gänzlich verlieren. Diese Erkrankungen zu behandeln und die Erblindung zu verhindern, versuchen Forschende um Prof. Dr. Botond Roska von der Universität Basel und Prof. Dr. José-Alain Sahel von der Universität Pittsburgh. Dabei setzen sie auf optogenetische Technologien. Optogenetik beschreibt eine Technik, bei der Zellen so verändert werden, dass sie wie Fotorezeptoren auf Licht reagieren. Die Technologie findet dabei auch in anderen Bereichen Anwendung: Optogenetische Cochlea-Implantate versprechen ein besseres Hörerlebnis und sind bereits in der Entwicklung.
Patient kann Objekte erkennen
In einer Fallstudie konnten die Forschenden nun erste, vielversprechende Ergebnisse veröffentlichen: Ein Patient, der aufgrund der Erbkrankheit Retinitis pigmentosa seine Sehkraft verlor, konnte durch die Gentherapie Teile seiner visuellen Wahrnehmung zurückerlangen. In Tests gelang es ihm, verschiedene Objekte auf einem weißen Tisch zu lokalisieren und zu zählen. Bei weiteren Untersuchungen, bei denen die Gehirnströme des Patienten mittels Elektro-Enzephalogramm (EEG) beobachtet wurden, konnten die Forschenden bestätigen, „dass die Gehirnaktivität tatsächlich mit einem visuellen Objekt in Verbindung stand und die Netzhaut nicht mehr blind war“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Basel.
Brille unterstützt Gentherapie
Für den Erfolg transportierten die Forschenden bestimmte Gene in die Ganglienzellen der Retina (Netzhaut), sodass diese das lichtempfindliche ChrimsonR produzierten. Anders als normalerweise in der Optogenetik verwendete Proteine absorbiert ChrimsonR bernsteinfarbenes Licht. Dieses ist für die Netzhaut sicherer als das sonst eingesetzte blaue Spektrum. Um sehen zu können, benötigt der Patient dann zusätzlich eine spezielle Brille, die die Information der Umgebung durch eine Kamera erfasst und in bernsteinfarbenen Wellenlängen auf die Netzhaut projiziert. Bis die Technologie erfolgreich eingesetzt werden konnte, verging allerdings einige Zeit: Fünf Monate nach Erhalt der Therapie konnte der Patient das Training mit der Brille aufnehmen. Weitere sieben Monate später konnte er in den Tests Objekte identifizieren.
Sehnerv muss intakt sein
Die Ergebnisse dieser ersten Fallstudie sind vielversprechend. Allerdings lässt sich die Therapie nicht bei jeder Art der Blindheit anwenden: Die Ursache muss bei der Degeneration der Fotorezeptoren liegen. Der Sehnerv der Betroffenen darf nicht verkümmert sein, betont José-Alain Sahel. „Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis diese Therapie den Patienten angeboten werden kann.“ Trotzdem ist die Studie ein wichtiger Schritt auf dem Weg, erblich bedingte Blindheit zu behandeln.
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