Bei Krebs handelt es sich um eine äußerst komplexe Erkrankung. Die genauen Mechanismen hinter der Entwicklung von Krebs sind nach wie vor unklar. Einer Gruppe internationaler Wissenschaftler ist es kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum jedoch gelungen erstmals die molekularen Ereignisse festzuhalten, die vonstattengehen, wenn gesunde Körperzellen mit krebserregenden Substanzen in Kontakt kommen.
Von gesunder Zelle zum Krebs
Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums, der Universität Cambridge und der Universität Edinburgh waren erstmals dazu imstande die molekulare Evolution von Tumoren detailliert zu studieren und zu verstehen. In diesem Zug deckten die Wissenschaftler auf, dass Schädigungen durch krebserregende Substanzen über mehrere Zell-Generationen reichen, sodass kontinuierlich neue Abweichungen zwischen Mutter- und Tochterzelle auftreten können. Diese Variationen bilden die Basis für die Entwicklung von Krebs. Die Studienergebnisse sind vor Kurzem in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature“ erschienen.
Was wir bisher wissen
Zahlreiche Chemikalien und Strahlungen können das menschliche Erbgut schädigen und so zu einer Krebserkrankung führen, darunter beispielsweise Tabakrauch und UV-Strahlung. Es existieren jedoch noch unzählbare andere Chemikalien und Umwelteinflüsse, mit denen der Körper Tag für Tag zurechtkommen muss und die die Entstehung von Krebs begünstigen können. Zwar wird die Erkrankung mit diesen auch bereits in Zusammenhang gebracht, die genauen molekularen Vorgänge bei der Entwicklung von Krebs konnten bislang aber nicht ausreichend nachvollzogen werden.
Entstehung fehlerhafter DNA
Die Gruppe internationaler Forscher bezüglich der Klärung dieser Frage nun erhebliche Fortschritte erzielen. Die Wissenschaftler konfrontierten Mäuse mit der Chemikalie Diethylnitrosamin, welche stark leberkrebserregend wirkt, und untersuchten dabei das Erbgut der Nagetiere. Auf diese Weise gelang es ihnen Schritt für Schritt zu beobachten, wie Leberkrebs entsteht. Im ersten Schritt rief die Chemikalie Schäden an einzelnen DNA-Komponenten gesunder Zellen hervor. Bei den Komponenten handelt es sich um sogenannte Nukleotide. Teilen sich solche beeinträchtigten Zellen, werden ihre Informationen nicht mehr fehlerfrei weitervermittelt, sodass sich die geteilte Tochterzelle etwas von ihrer Mutterzelle differenziert. Somit kommt es laut dem Forschungsteam zu zwei DNA-Strängen mit unterschiedlichen Fehlern.
Widerstandsfähige Mutationen überleben
Durch die nie aufhörende Zellteilung kommt es immer wieder zu neuen Defekten. Am Ende entsteht ein komplexes Muster aus Mutationen, aus denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit wuchernde Krebszellen entwickeln und am Ende ein Tumor entsteht. Die Forscher waren jedoch erstaunt darüber, wie viele Mutationen sich über mehrere Zell-Generationen bildeten und deren Defekte jedes Mal weitergegeben wurden – ohne eine Reparatur der DNA-Schäden. Am Ende überleben die Krebszellen, die über das günstigste Mutationsmuster verfügen, denn sie wachsen am schnellsten und können so am besten das Immunsystem umgehen. Dieser Mutationstyp ist Studienerstautorin Sarah Aitken von der University of Cambridge außerdem oftmals resistenter gegen Krebsbehandlungen.
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Auch Chemotherapien können Mutationen hervorrufen
Einige Chemotherapeutika können ebenfalls zu DNA-Schäden führen, die segregieren und über mehrere Zell-Generationen hinweg neue Mutationen schaffen. Martin Taylor von der University of Edinburgh sollte dies bei der Entwicklung von Mitteln gegen Krebs in Zukunft bedacht werden. Dem Forschungsteam zufolge hat die Studie einen wertvollen Beitrag dazu geleistet die Komplexität an Mutationen in Krebszellen besser nachzuvollziehen. Nun ist auch ersichtlich, wieso Tumoren so wandlungsfähig sind: Die Anpassungsfähigkeit unterstützt die Krebszellen bei der Entwicklung von Arzneimittel-Resistenzen und der Verankerung in fremdem Gewebe.
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