Ein internationales Forscherteam hat nun ein Screening entwickelt, das es möglich macht alle Viren herauszufinden, mit denen man sich im Laufe seines Lebens angesteckt hat. Bereits ein Bluttropfen reicht, um Hunderte Antikörper aufzuspüren. Diese Entwicklung könnte helfen Impfstoffe zu entwickeln und den Zusammenhang zwischen Viren und chronischen Krankheiten aufzeigen.
Unterschied zu einer klassischen Blutanalyse
Die neue Methode macht es möglich, dass man fast alle Virenspuren in nur einem Tropfen Blut identifizieren kann.
„Wir haben eine Screening-Methode entwickelt, um im Blutserum von Menschen in die Vergangenheit zu schauen und zu sehen, welchen Viren sie ausgesetzt waren“, sagte Stephen Elledge von der Harvard Medical School in Boston. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Blutanalyse kann man bei „VirScan“ nach Hunderten Viren suchen, bei der Blutanalyse lediglich nur nach Keimen.
Herangehensweise der Forscher
Das Forscherteam nutzt für die Analyse den Abwehrmechanismus des Körpers. Denn dieser Abwehrmechanismus bekämpft eingedrungene Keime unter anderem mit der Produktion von Antikörpern. Dabei handelt es sich um Eiweiße, die sich an die Oberfläche der Keime binden. Durch diesen Vorgang neutralisieren sie die Krankheitserreger oder markieren sie zumindest als schädliche Eindringlinge.
Eine Stelle auf der Oberfläche des Keims, an die der Antikörper binden kann, nennt man Epitop. Viren können 10 oder auch 100 dieser Epitopen haben, die jeweils für sie spezifisch sind. Diese Eigenschaft haben sich die Forscher zunutze gemacht.
Drei Schritte für den Erfolg
Der erste Schritt war, dass die Forscher eine Art Bibliothek von fast hunderttausend synthetischen Proteinfragmenten anlegten. Jedes dieser Fragmente repräsentiert einen Abschnitt von einem Virus, das ein Antikörper erinnern könnte. Die Forscher schleusten DNS-Abschnitte von allen bekannten Viren, die den Menschen infizieren können, in Bakteriophagen (oder nur Phagen) ein. Das sind im biologischen Sinn Viren, die aber nur Bakterien angreifen. Diese wandelten die Erbgut-Informationen anschließend in virale Eiweiße um, die sie an ihrer Oberfläche zeigten.
Im Anschluss brachten die Forscher die Viren, gespickt mit Andockstellen, mit den Blutproben verschiedener Probanden in Kontakt. Wenn sich ein Patient im Laufe seines Lebens mit einem Virus infiziert hatte, befinden sich die Antikörper gegen diesen Erreger im Blut. Die Antikörper hingen sich an die Phagen mit den passenden Eiweißstoffen.
Im letzten Schritt entfernte das Forscherteam alle Bakteriophagen ohne gebundene Antikörper und analysierte das Erbgut der verbliebenen. Durch die Analyse der darin enthaltenen DNA-Abschnitte konnten die Forscher herausfinden, mit welchen Viren sich der Patient infiziert hatte. Zudem auch, an welches Viren-Epitop die Antikörper gebunden hatten.
Blutproben von 569 Menschen analysiert
Mit dem neuen Scanning wurden schließlich 569 Menschen aus den USA; Südafrika, Thailand und Peru untersucht. Dabei konnten Tendenzen festgestellt werden. „Im Schnitt entdeckten wir Antikörper gegen zehn Virusarten pro Person“, schreiben die Forscher. Kinder wiesen in der Regel weniger Antikörper auf, da sie wahrscheinlich einigen Keimen noch nicht ausgesetzt waren – zum Beispiel der Herpesvirus 2, dass vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen wird.
War ein Proband mit HIV-Infiziert, konnten die Wissenschaftler überdurchschnittlich viele Antikörper gegen verschiedene Viren im Blut nachweisen. Das ist dadurch erklärbar, dass das Immunsystem durch das HI-Virus geschwächt ist und somit der Körper anfälliger für weitere Infektionen ist. Auch Personen, die außerhalb der USA leben, wiesen mehr Antikörper auf.
Das Verfahren beim Nachweis von Antikörpern gegen besonders kleine Viren war wenig mit Erfolg gekrönt. Antikörper gegen das Grippe-Virus oder den Polio-Erreger wurden ebenfalls verhältnismäßig selten entdeckt, obwohl ein Großteil der Bevölkerung im Laufe des Lebens diesen Viren durch Infektionen ausgesetzt ist oder nach einer Impfung Antikörper gebildet hat.
Kritik am Test
„Das ist eine aufwendige, beeindruckende Technik, mit der Möglichkeit, wenn man sie weiterentwickelt, große epidemiologische Studien zu machen“, so Thomas Mertens. Er ist Präsident der Gesellschaft für Virologie und war an der Studie nicht beteiligt.
Er weist gleichzeitig auf einige Schwächen der Studie hin. Die Zahl der Probanden (569) aus vier Kontinenten sei nicht viel und „sehr limitiert“. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass durch den „VirScan“ nur sogenannte lineare Epitope erfassbar seien und nicht die weitaus komplexeren diskontinuierlichen Epitope. „Es gibt schon eine gewisse Selektion“, sagt Mertens.
„Dieser Test ist nicht gedacht für die Diagnostik individueller Infektionen“, sagt der Experte. „Für den praktischen klinischen Alltag sehe ich derzeit noch keinen Nutzen.“ Das Forscherteam glaubt aber, dass die Methode in der Zukunft vielleicht dabei helfen kann, nach Zusammenhängen zwischen der Verbreitung von Viren und dem Auftreten bestimmter Krankheiten zu suchen.
Was meinen Sie?