Immer wieder hört man Gerüchte, eine Grippeimpfung könne zu Komplikationen bei einer Covid-19-Erkrankung führen. Das Robert-Koch-Institut sieht dafür keine Gründe. Nun könnte eine Influenza-Immunisierung sogar noch Vorteile mit sich bringen.
Grippe-Welle bleibt aus
Auch ohne direkte Auswirkungen auf eine Covid-19-Erkrankung, galt es als sinnvoll, sich auch in diesem Winter gegen Grippe impfen zu lassen. So sollte eine gefährliche Doppelinfektion vermieden und das Gesundheitssystem entlastet werden. Da sich bei den beiden Virusinfektionen die Risikogruppen überschneiden, wurde diesen Personen eine Grippeimpfung besonders empfohlen. Doch dann führten Kontaktbeschränkungen und AHA-L-Regeln zu einem Ausbleiben der Grippewelle. War das Impfen also umsonst?
Weniger Corona-Infektionen unter Grippe-Geimpften
Forschende der University of Michigan veröffentlichten kürzlich eine Studie, die nahelegt, dass die Influenza-Impfung sogar mehr kann, als bisher angenommen. Sie analysierten Daten von 27.000 Patienten, die zwischen März und Juli 2020 auf das Coronavirus getestet wurden. Das Ergebnis: Von den 13.000 Probanden, die in der vergangenen Saison eine Grippe-Impfung erhalten hatten, infizierten sich signifikant weniger als aus der Gruppe, die keine Immunisierung hinter sich hatte. Hier wurden 5 Prozent positiv auf das Coronavirus getestet, während diese Quote in der geimpften Gruppe nur bei 4 Prozent lag. Der Grund für diesen Zusammenhang ist bislang unbekannt. So sei es möglich, dass die Patienten, die sich gegen Grippe impfen ließen, gleichzeitig die seien, die sich tendenziell besser an die Corona-Präventionsmaßnahmen hielten, bemerkt Ärztin und Co-Autorin der Studie Marion Hofmann Bowman.
Schwere Verläufe seltener
Zusätzlich war bei den Geimpften das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf signifikant geringer. So kam es bei dieser Gruppe deutlich seltener zu Krankenhausaufenthalten aufgrund der Corona-Erkrankung. Die Medizinerin Hofmann sagt: „Es ist auch plausibel, dass es einen direkten biologischen Effekt der Grippeimpfung auf das Immunsystem geben könnte, der für die Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus relevant ist.“ In jedem Fall konnten die Gerüchte um Komplikationen durch die Influenza-Impfung und SARS-CoV-2 aus dem Weg geräumt werden. „Statt eines besorgniserregenden Zusammenhangs zwischen Covid-19 und der Grippeimpfung bietet unsere Publikation mehr Gewissheit, dass das Erhalten der Grippeimpfung mit der Vermeidung von Covid-19-bedingten Krankenhausaufenthalten verbunden ist“, so Hofmann Bowman.
Trainiertes Immunsystem schützt besser
Ähnliche Zusammenhänge wie in Michigan wurden bereits in anderen Studien festgestellt: In Italien brachten Forschende eine Influenza-Immunisierung mit weniger schweren Verläufen in Verbindung. An der Radboud Universität in Nimwegen, Niederlande, analysierte ein Forschungsteam die Infektionszahlen unter medizinischem Personal. Dabei fanden sie heraus, dass Corona-Infektionen unter den gegen Grippe Geimpften deutlich seltener auftraten. Um diesen Zusammenhang näher zu untersuchen, führten sie zusätzlich Experimente bei in-vitro-Modellen durch. Dabei beobachteten sie, dass durch die Influenza-Impfung eine trainierte Immunreaktion hervorgerufen wird, auch hinsichtlich des Coronavirus. Solche Kreuzprotektionen sind bereits von anderen Impfstoffen wie dem Tuberkulose-Vakzin bekannt. Weitere Studien sind notwendig, doch deutet die bisherige Forschungslage darauf hin, dass eine Grippeimpfung neben ihrer Hauptaufgabe auch partiell vor einer Covid-19-Erkrankung schützen kann. Die AHA-L-Regeln sollten jedoch in keinem Fall vernachlässigt werden, ebenso wie die Corona-Impfungen, soweit verfügbar.
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