Ob man zum Trinkglas greift, die Zeitung liest oder bloß eine Türe öffnen will – unsere Hände sind ununterbrochen im Einsatz. Ihre Wichtigkeit fürs alltägliche Leben bemerken die meisten jedoch erst, sobald sie nicht mehr funktionieren wie gewohnt. Viele Schlaganfallpatienten und -patientinnen haben die Kontrolle über ihre Gliedmaßen verloren und müssen sich von Tag zu Tag durch eine Welt kämpfen, in der die Nutzung zweier Hände vorausgesetzt wird. Der Einsatz von Elektroden könnte ihnen nun allerdings ihre Eigenständigkeit zurückgeben.
Keine Zeit zu verlieren
Ein Schlaganfall tritt meist unangekündigt durch eine verstopfte Arterie im Gehirn, seltener auch durch eine Hirnblutung auf. Viele Betroffene haben nach einem Schlaganfall mit motorischen Einschränkungen ihrer Arme und Hände zu kämpfen. Um die negativen Auswirkungen möglichst gering zu halten, gilt das Motto „time is brain“ – eine rasche Behandlung in den ersten Stunden nach dem Schlaganfall ist entscheidend, um neurologischen und neuropsychologischen Schäden entgegenzuwirken. In Deutschland erleiden jährlich etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Die Anzahl der Fälle könnte in Zukunft aufgrund der alternden Gesellschaft und des zunehmend ungesunden Lebensstils der Allgemeinbevölkerung steigen.
Einseitige Symptomatik als Warnzeichen
Ein typisches Erkennungsmerkmal eines Schlaganfalls ist, dass die Symptome für gewöhnlich nur auf einer Körperseite auftreten. Betroffen sind vor allem die Motorik, kognitive Fähigkeiten und Sinnesempfindungen. Häufige Anzeichen sind:
- Gesichtsfeldausfall: eine Sehstörung, die von geschädigten Bereichen des Gehirns ausgeht
- Sprachstörungen
- Taubheitsgefühl
- Schwäche und Lähmungserscheinungen
Neben den genannten Symptomen kann es darüber hinaus zu starken Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen kommen, im schlimmsten Fall auch zur Bewusstlosigkeit.
Rückenmarkstimulation durch Elektroden
Amerikanischen Forschern und Forscherinnen ist es kürzlich in einer 29-tägigen Versuchsreihe gelungen, einen lebensverändernden Therapieansatz zu entwickeln. In seinem Mittelpunkt stehen Elektroden, die schon jahrelang zur Linderung chronischer Schmerzen verwendet werden. Marco Capogrosso, ein biomedizinischer Ingenieur der Universität Pittsburgh, zog diese Methode heran, um sie für die Behandlung von Schlaganfallpatienten und -patientinnen anzupassen.
Hierfür werden dünne Metallelektroden, die Stromimpulse abgeben, entlang des Halses eingesetzt. Diese führen zur Aktivierung von Nervenzellen in genau jenen Bereichen des Rückenmarks, die für die Muskelkontrolle der Extremitäten verantwortlich sind. Bei einem gesunden Menschen sorgt das Gehirn für das Versenden dieser Impulse. Nach Erleiden eines Schlaganfalls kann dieser Vorgang jedoch gestört und die Reize somit nicht mehr ausreichend intensiv sein, um die natürliche Wirkung zu erzielen.
Tränen im Forscherteam
Erste bahnbrechende Erfolge durften bereits von zwei Patientinnen gefeiert werden. Sie konnten ihr Glück kaum fassen, als sie endlich wieder dazu in der Lage waren Bewegungen auszuführen, die seit Jahren undenkbar gewesen sind. Diese emotionalen Momente ließen auch die Forscher und Forscherinnen nicht unberührt und so wurde die ein oder andere Träne vergossen.
Es wird noch einige Jahre und Versuchsreihen benötigen, bis derartige Implantate permanent bei Schlaganfallpatienten und -patientinnen eingesetzt werden können. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch vielversprechend und deuten darauf hin, dass Betroffenen künftig ein eigenständigeres Leben ermöglicht werden könnte.
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