Immer wieder kommt es vor, dass Infektionen von Tieren auf Menschen übertragen werden. Das aktuellste Beispiel dafür ist SARS-CoV-2, aber auch bei Malaria wird eine Krankheit zwischen Tierarten weitergegeben. Dabei spielt die erste Immunreaktion des Wirts eine wichtige Rolle, da sie entscheidet, ob sich die Infektion weiter ausbreitet. Um mehr über die Verbreitung zoonotischer Erreger zu lernen und womöglich Infektionen noch vor der Übertragung einzudämmen, sahen sich Wissenschaftler der University of Colorado Boulder daher die Abwehrmechanismen von Plankton an.
Immunreaktion von Plankton untersucht
Auch Plankton hat ein Immunsystem, welches das wirbellose Tier vor Krankheiten schützen soll. Durch die Immunreaktion entscheidet sich, ob eine Infektion auftritt und wie sie sich innerhalb oder sogar außerhalb der Population verbreitet. Damit ist die Immunreaktion eine wichtige Variable zur Berechnung der Auswirkungen der Infektion. Die Erkenntnisse des US-amerikanischen Forschungsteams, die sie kürzlich in dem Fachmagazin „The American Naturalist“ veröffentlichten, helfen daher, die Übertragung zwischen Tierarten besser zu verstehen und womöglich auch zu verhindern. Dabei kann man allerdings nicht von einem Wirt auf den nächsten schließen, erklärt Studienautorin Tara Stewart Merrill: „Eines der größten Muster, die wir in der Krankheitsökologie und Epidemiologie sehen, ist die Tatsache, dass nicht alle Wirte gleich sind. Bei der Erforschung von Infektionskrankheiten wollen wir die Wirtsimmunität in unser Verständnis darüber einbeziehen, wie sich Krankheiten ausbreiten.“
20 Prozent aller Infektionen stammen von Tieren
Wirbellose Tiere sind besonders häufig Überträger von Krankheiten, auch Vektoren genannt. Solche Krankheiten, zu denen auch Malaria gehört, machen fast 20 Prozent aller Infektionskrankheiten weltweit aus und sind jedes Jahr für mehr als 70.000 Todesfälle verantwortlich. Trotz diesem großen Einfluss auf das weltweite Infektionsgeschehen befassen sich bisher nur wenige Studien mit der Immunreaktion von wirbellosen Tieren. Die Forschenden aus Colorado beschreiben, dass meist einfach davon ausgegangen wird, dass diese Vektoren sich infizieren, sobald sie mit einem Erreger in Kontakt kommen. Dass auch sie eine Immunreaktion haben, wird vernachlässigt. Die Wissenschaftler befassten sich daher mit dem Immunsystem von wirbellosen Tieren. So wollten sie herausfinden, ob es möglich ist, die Infektionskette zu unterbrechen, bevor die Übertragung auf den Menschen vonstattengehen kann.
Plankton wehrt sich gegen Pilzinfektion
Das Forschungsteam untersuchte dafür eine winzige Planktonart namens Daphnia dentifera. Diese setzten sie einem Pilzparasiten aus und beobachteten, ob das Plankton in der Lage war, den Erreger abzuwehren. Dabei fanden die Forschenden heraus, dass einige Planktonarten den Pilz direkt am Eindringen hindern konnten, andere bekämpften dagegen erfolgreich die Infektion. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es mehrere Abwehrmechanismen gibt, die wirbellose Tiere nutzen können, um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion zu verringern, und dass wir diese Abwehrmechanismen wirklich verstehen müssen, um die Infektionsmuster zu verstehen”, erklärt Studienautorin Stewart Merrill.
Modell bestimmt Wirtsimmunität
Wenn Daphnia dentifera es nicht schafft, den Pilz abzuwehren, befällt der Erreger den Darm des Planktons und wächst im Körper, bis der Wirt stirbt und der Parasit freigesetzt wird. Doch die Forschenden stellten bei ihren Untersuchungen fest, dass einige der Wirte sich selbst von einer gefährlichen Infektion wieder erholten. Ob eine Planktonart die Infektion übersteht, wird dabei von der Stärke der ersten, internen Abwehrkräfte entschieden. Um diese Wirtsimmunität zu quantifizieren, erstellten die Wissenschaftler ein Modell zur Messung der Immunreaktion. Dieses kann in allen Wildtiersystemen genutzt werden und so bei der Einschätzung von Krankheiten helfen, die auf den Menschen übertragen wurden. Es wird angenommen, dass auch SARS-CoV-2 durch solch einen „zoonotischen Spillover“ auf den Menschen übertragen wurde. Derartige probabilistische Modelle könnten helfen, zukünftige Spillover-Ereignisse und ihre Ausbreitung vorherzusagen.
Durch Immunreaktion gefilterte Übertragung
„Wenn die Immunreaktionen gut sind, wirken sie wie ein Filter, der die Übertragung reduziert. Aber jede Umweltveränderung, welche die Immunität verschlechtert, kann die Übertragung tatsächlich verstärken“, so Stewart Merrill. Das Forschungsteam hofft, dass die Erkenntnisse ihrer Studie noch weiteren Nutzen haben: Weltweit sind etwa 200 Millionen Menschen an Infektionen erkrankt, die durch sogenannte Schistosomen ausgelöst werden. Die auch als Plattwürmer bekannten wirbellosen Organismen verursachen Krankheiten und können im schlimmsten Fall zum Tod führen. Da sie in Süßwasser leben, welches von Menschen zum Trinken, Waschen oder Baden genutzt wird, kommt es selbst nach erfolgreicher Behandlung der Erkrankung oft schnell wieder zur Reinfektion. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie nach Malaria als zweitgrößte sozioökonomisch verheerende Krankheit ein.
Infektionsketten frühzeitig unterbrechen
Das Forschungsteam aus Colorado will durch ein besseres Verständnis der Infektion bei wirbellosen Tieren die Infektionskette bei den Plattwürmern unterbrechen. „Wir müssen wirklich daran arbeiten, die Vorbeugung von Infektionen zu verstehen und was das Risiko in diesen aquatischen Systemen ist, anstatt nur Heilmittel für Infektionen zu finden”, so Stewart Merrill. Durch ein verbessertes Verständnis könnten in Zukunft die Risikofaktoren für eine Übertragung auf den Menschen bestimmt werden.
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