Diabetes ist keine Erkrankung, die von heute auf morgen akut ausbricht. Die sogenannte Zuckerkrankheit macht sich in einem schleichenden Prozess bemerkbar, frühe Symptome werden aber oftmals nicht richtig beobachtet und zugeordnet. Je später eine Diabetes-Diagnose erfolgt und umso weiter die Krankheit fortgeschritten ist, desto schwieriger gestaltet sich die Behandlung. Neu entdeckte Biomarker sollen nun bei der Früherkennung der Krankheit helfen.
Bestrafung für ungesunden Lebensstil
Von den weltweit 463 Millionen Diabetikern leben in Deutschland rund 7,6 Millionen Betroffene – dies entspricht knapp 10% der Gesamtbevölkerung. Bei Diabetes mellitus handelt es sich um eine anomale Störung des Zuckerstoffwechsels im Körper. Diabetes-Typ-1 ist die seltenere Form der Erkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse nicht genügend oder gar kein Insulin (Blutzucker senkendes Hormon) herstellen kann. Rund 90% der Betroffenen leiden jedoch unter Diabetes-Typ-2. Bei dieser Form der Zuckerkrankheit hat das produzierte Insulin eine stark verminderte Wirkung an den Körperzellen, wodurch der Zucker nicht ins Gewebe gelangen kann und sich stattdessen stärker im Blut konzentriert. In den meisten Fällen wird der Typ-2 von ungesunder Ernährung und einem Bewegungsmangel verursacht.
Dreifaches Risiko für Durchblutungsstörungen
Diabetes wird bisher meist mittels folgender Biomarker (Indikatoren für biologische Prozesse) im Körper diagnostiziert:
- Blutglucosespiegel (Blutzuckerspiegel)
- Glucose (Traubenzucker) im Urin
- glykiertes Hämoglobin (rote Blutkörperchen: chemisch mit Zuckerresten verknüpft) im Blut
Obwohl diese Marker sehr gute und sichere Indizien für die Diagnose, Entwicklung und Überwachung der Krankheit sind, bekommt bloß die Hälfte aller Diabetiker einen zeitnahen Krankheitsbefund. Ein erhöhter Blutzucker verursacht keine unmittelbaren Beschwerden, wodurch die Krankheit nicht selten über einen längeren Zeitraum unentdeckt bleibt. Gefahren und gravierende Spätfolgen der Erkrankung werden oftmals stark unterschätzt.
Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel bei unbehandeltem Diabetes schädigt jedoch verschiedenste Gefäße und Organe mit der Zeit. Binnen weniger Jahre kann es zu einem gefährlichen Nierenversagen kommen, sodass sich Patienten regelmäßig einer Dialyse (künstliche Blutwäsche) unterziehen müssen. Auch Amputationen, Sexual- und Sehstörungen sind mögliche Folgen der unzureichenden Gefäßdurchblutung bei Diabetes. Zudem sterben zwei Drittel aller Erkrankten vorzeitig an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Diabetes am Zellstoffwechsel erkennen
Um lebensgefährliche Spätfolgen mit gezielten Maßnahmen verhindern zu können, wären noch schnellere und frühere Diagnosen wünschenswert. In den letzten Jahren wurden sogenannte Metabolomics-Methoden verstärkt eingesetzt, um neue Biomarker für Diabetes mellitus zu finden. Die Metabolomik als Forschungszweig beschäftigt sich grundlegend mit dem Stoffwechselgeschehen in Zellen und Geweben, indem chemische Verbindungen und deren Wechselwirkungen in Organismen analysiert werden. Die daraus gewonnenen Daten ermöglichen auch ein besseres Verständnis für die Entwicklung und den Verlauf von Krankheiten.
Zuckerprofile unterscheiden sich signifikant
Diabetes und die damit einhergehende Insulinresistenz betrifft vor allem den Zuckerstoffwechsel. War es bisher sehr schwierig, die einzelnen ähnlichen Zucker-Verbindungen zu erkennen und zu differenzieren, sind dank der Metabolomik-Forschungen nun präzisere Unterscheidungen möglich: Neben den typischen Mono- und Disacchariden (Einfach- und Zweifachzucker; z.B. Glucose oder Fructose) konnten auch davon abgeleitete Zuckersäuren, Zuckeralkohole und Aminozucker nachgewiesen werden.
Darauf basierend untersuchte das Max Rubner-Institut an der TU München das Zuckerprofil im Blut gesunder, prädiabetischer (Diagnose: Diabetes-Vorstufe) und diabetischer Probanden. Insgesamt konnten 40 verschiedene Zuckerverbindungen vorgefunden werden, von denen sich 27 bisher eindeutig identifizieren lassen. Außerdem wurden signifikante Unterschiede zwischen den Zuckerprofilen von Gesunden und Diabetikern nachgewiesen. Diese Differenzen betrafen unerwartet nicht nur den klassischen Blutzuckerwert, sondern beispielsweise auch Maltose-, Fructose- oder Trehalose-Werte.
Fortschritt in der Früherkennung
Die Ergebnisse aus den biologischen Blutplasmaproben machten deutlich, wie wenig über die Komplexität des Zuckerstoffwechsels und die selteneren Zuckerverbindungen noch bekannt ist. Aufgrund der charakteristischen Unterschiede im Insulinstoffwechsel bei Gesunden und Diabetikern scheinen die neu entdeckten Zuckerverbindungen jedoch vielversprechende frühzeitige Biomarker für Diabetes-Typ-2 zu sein. Damit könnte man dem Ziel der Diabetes-Frühdiagnose bald schon ein großes Stück näher sein.
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