In nur 6,5 Prozent der überprüften Fälle stimmt der Medikationsplan genau mit den eingenommenen Medikamenten überein. Die Studienautoren fordern daher eine bessere Zusammenarbeit von Medizinern und Apothekern.
Vom Blutverdünner zum Cholesterinsenker bis zu verschiedenen Schmerzmitteln – je mehr Medikamente man gleichzeitig einnimmt, desto schneller verliert man auch den Überblick über die Dosis und die empfohlene Tageszeit für die Einnahme. Damit das nicht passiert, werden meist vom Hausarzt Medikationspläne erstellt. Darauf steht der Name, die Dosis und die Einnahmezeit jedes Medikaments. Manchmal schreiben die Patienten den Plan auch selbst oder Angehörige erledigen das für sie.
Medikationspläne von 500 Patienten geprüft
In der Theorie funktioniert das sehr gut, in der Praxis eher weniger. Zu diesem Ergebnis kam nun eine Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Isabel Waltering, Dr. Oliver Schwalbe und Professor Dr. Georg Hempel führten die Studie im Rahmen des Ausbildungsprogramms zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) durch. Das Programm „Apo-AMTS“ integriert das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit in die Ausbildung von Pharmazeuten. Man arbeitet dazu auch mit der Apothekerkammer Westfalen-Lippe zusammen.
Die Studenten des Programms kontrollierten gemeinsam mit den Studienautoren die Medikamenten-Einnahmen von 500 Patienten in einem Zeitraum von 15 Monaten. Das Durchschnittsalter der Probanden ist mit 73 Jahren eher hoch. Das liegt daran, dass vor allem ältere Menschen oft eine lange Liste mit Arzneimitteln haben, die sie täglich einnehmen sollten. Die Patienten nahmen jeweils mindestens fünf verschiedene Medikamente ein und 399, das entspricht 80 Prozent der Teilnehmer, hatten einen vom Haus- oder Facharzt erstellten Medikationsplan.
Erhebliche Defizite in der Praxis
Die Ergebnisse der Studie sind überraschend eindeutig. Pro Patient konnten durchschnittlich mehr als fünf Abweichungen festgestellt werden. In Summe sind das über 2000 Unterschiede zwischen den tatsächlich eingenommenen Arzneimitteln und den Arzneimitteln, die im Medikationsplan vermerkt waren. Die Ursache dafür wurde ebenso durch die Studie deutlich.
in 41 Prozent der Fälle fanden die Abweichungen nicht bei der Dosis oder der Tageszeit statt, sondern es wurden Medikamente mit einem anderen Namen eingenommen. So war im Medikationsplan ein anderes Medikament angeführt, das durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgetauscht wurde. „Der Austausch an sich ist nicht das Problem, da die Wirksamkeit dieselbe ist. Aber dadurch, dass auf dem Medikationsplan ein anderer Name steht als auf dem ausgehändigten Medikament, kann es bei den Patienten zu Missverständnissen und Fehleinnahmen kommen“, unterstreicht Georg Hempel in einer Presseaussendung der WWU.
Apotheker und Ärzte sollten enger zusammenarbeiten
Doch auch in anderen Feldern wurden Abweichungen festgestellt. So nahmen in 30 Prozent der Fälle die Patienten ein Arzneimittel ein, das überhaupt nicht im Medikationsplan angeführt war. Jeder Fünfte hat ein Medikament abgesetzt, ohne dies dem entsprechenden Arzt mitzuteilen. In elf Prozent der Fälle wurde eine zum Teil erhebliche Abweichung bei der eingenommenen Dosis festgestellt. Über 70 Prozent der Abweichungen betrafen verschreibungspflichtige Medikamente. Die meisten davon waren gegen Bluthochdruck, Schmerzmittel oder Antidepressiva.
„Vollständige und aktuelle Informationen über die verordnete Medikation sind eine Grundvoraussetzung für eine sichere und optimale Therapie. Vor dem Aushändigen des Medikationsplanes ist eine Medikationsanalyse vorzunehmen“, erklären die Autoren in der Presseaussendung. Hier ist ihrer Meinung nach die engere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern nötig. Öffentliche Apotheken sollten daher eine Schlüsselrolle übernehmen. Denn genau dort findet der Austausch von wirkstoffgleichen Medikamenten statt. Deshalb sollen Apotheker bei der Erstellung und regelmäßigen Aktualisierung von Medikationsplänen stärker involviert werden.
Wichtiger Schritt für die Therapiesicherheit
„Gerade bei Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen – und das sind in den meisten Fällen ältere Menschen – ist eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern besonders wichtig. Offensichtlich bestehen hier noch hohe Defizite“, stellt Isabel Waltering fest. Das Ausbildungsprogramm der WWU soll dabei helfen. In den letzten drei Jahren wurden bereits über 400 Apotheker dazu ausgebildet, eine Schnittstelle zwischen Arzt und Patient zu sein. Damit tragen sie laut Waltering entscheidend zu einer Verbesserung der Therapiesicherheit bei.
Was meinen Sie?