Weizen spielt eine zentrale Rolle bei der globalen Ernährungssicherheit – rund 18 Prozent der weltweiten Kalorienzufuhr werden durch dieses Getreide abgedeckt. Forscher aus Großbritannien schlagen nun jedoch Alarm: Fast die Hälfte der europäischen Weizenbestände seien von potenziell gesundheitsschädlichen Pilzen kontaminiert.
Gesundheitsfördernder Nährstofflieferant
Weizen gilt als eine der ältesten Kulturpflanzen – bereits vor 8.000 bis 10.000 Jahren wurde er in Eurasien kultiviert. Heutzutage stellt Weizen nach Mais das am zweithäufigsten angebaute Getreide weltweit dar. Die Kulturpflanze ist zudem eines der bedeutendsten Grundnahrungsmittel – insbesondere in Form von Brot sowie Teig- und Backwaren wird ein erheblicher Anteil des globalen Nahrungsmittelbedarfs gedeckt. Vor allem Vollkornweizen wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Die äußere Schale des Weizenkorns weist wichtige Nährstoffe wie Mineralstoffe sowie Vitamin B und E auf. Auch der Weizenkeimling gilt als zentrale Quelle für Fettsäuren, Vitamine und Spurenelemente. Das Weizenkorn selbst versorgt den Körper mit Proteinen und Kohlenhydraten.
Gesundheitsschädlicher Pilzbefall nachgewiesen
Im Zuge eines Forschungsprojektes kamen Fachleute der britischen Universtiy of Bath sowie der University of Exeter zu der Erkenntnis, dass fast die Hälfte der europaweiten Weizenbestände potenziell gesundheitsschädlichen Pilzbefall aufweisen. Die Experten untersuchten komplexe Datensätze, die von mehreren Regierungen sowie der europäischen Agrarindustrie innerhalb der letzten zehn Jahre erfasst wurden. Auf diese Art und Weise gelang es den Forschern, sowohl die Entwicklung als auch die Verbreitung des Pilzbefalles zu rekonstruieren.
Pilze beeinträchtigen Pflanzenwachstum
Den Experten zufolge ist der Weizen von einer Pilzkrankheit namens Fusarium-Kopffäule kontaminiert, welche durch sogenannte Fusarien hervorgerufen wurde. Darunter wird eine bestimmte Pilzgattung verstanden, die schwerwiegende Pflanzenschäden hervorrufen kann. Fusarien siedeln sich oftmals im Boden oder auf Pflanzenresten an, wo sie zumeist überwintern. Sobald der Weizen im Frühjahr zu wachsen beginnt, entwickelt sich auch der Pilz weiter. Vor allem warmes und feuchtes Wetter begünstigt die Ausbreitung der Pflanzenschädlinge. Wenn die Kulturpflanze vollständig befallen ist, verursacht der Pilz sogenannte Taubährigkeit. Dies bedeutet, dass die natürliche Nährstoffzufuhr unterbunden wird, wodurch die Getreidekörner verkümmern und die Ähren ausbleichen.
Gesundheitliche Folgen unzureichend erforscht
Die Pilzkontamination geht oftmals mit Ertragsverlusten einher und führt zur Bildung von sogenannten Mykotoxinen. Hierbei handelt es sich um Schimmelpilzgifte, die beim Menschen vermehrt Verdauungsprobleme, Übelkeit sowie Erbrechen hervorrufen. Zudem können weitere negative Folgeerscheinungen nicht ausgeschlossen werden: „Kontaminierte Nutzpflanzen und Fusarien-Toxine sind immer ein Grund zur Sorge, da sie eine erhebliche Bedrohung für unsere Gesundheit darstellen, zumal wir ihre Auswirkungen auf unser Wohlbefinden nur teilweise verstehen“, erläutert der Forschungsleiter und Pilzbiologe Dr. Neil Brown.
Schädlich für Mensch und Tier
Den Fachleuten zufolge wurden in jedem Land Europas Schimmelpilz-Toxine nachgewiesen. In Großbritannien waren sogar 70 Prozent des Weizens befallen. Rund die Hälfte der für die menschliche Ernährung bestimmten Weizenbestände in Europa wies das Fusarium-Gift Deoxynivalenol (DON) auf, welches als eines der häufigsten Mykotoxine gilt. Während das Schimmelpilzgift bei Tieren zu Wachstumsverzögerungen und einem eingeschränkten Immunsystem führt, verursacht es beim Menschen in erster Linie Übelkeit und Erbrechen.
Besorgniserregende Tendenz
Obwohl sich der Toxin-Anteil in 95 Prozent der Fälle unterhalb der zugelassenen Grenzwerte für die menschliche Ernährung befand, beurteilen die Experten die aktuelle Tendenz dennoch als besorgniserregend. Laut den Fachleuten seien die gesundheitlichen Langzeitfolgen einer geringen Dauerbelastung derzeit noch zu wenig erforscht. Außerdem konnten die Forscher belegen, dass 25 Prozent der Weizenbestände für den menschlichen Verbrauch von mehr als einem Schimmelpilz-Toxin kontaminiert sind. Die Wissenschaftler nehmen an, dass sich die Kombination aus mehreren Mykotoxinen als gesundheitsschädlicher herausstellt als der Befall mit einem einzelnen Pilzgift.
Finanzielle Schäden für Landwirte
Des Weiteren sei der Pilzbefall mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden für Landwirte verknüpft: „Wir schätzen, dass europaweit 75 Millionen Tonnen Weizen (fünf Prozent des Lebensmittelweizens) zwischen 2010 und 2019 den für den menschlichen Verzehr zulässigen Grenzwert überschritten haben“, schildert Doktorandin Louise Johns. Dies käme einem Verlust von rund 3.000 Millionen Euro gleich.
Nachhaltige Praktiken reduzieren Pilzbefall
Obwohl der Mykotoxin-Anteil im Weizen von Jahr zu Jahr variiert, konnten die Experten insgesamt einen erheblichen Anstieg an Kontaminationen beobachten. Das Forschungsteam vermutet, dass vor allem landwirtschaftliche Veränderungen sowie der Klimawandel zu diesem unerwünschten Phänomen beitragen. Die Fachleute gehen beispielsweise davon aus, dass gewisse Bodenkonservierungspraktiken sowie das zunehmend feuchtwarme Wetter das Problem forcieren. Um die genauen Ursachen zu ergründen, seien jedoch noch tiefergehende Untersuchungen notwendig. Laut Dr. Brown könnten nachhaltige Landwirtschaftspraktiken erheblich zum Schutz vor Pilzpathogenen beitragen und somit wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden entgegenwirken.
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