Bereits im Juli des vorigen Jahres wurde bekannt, dass das Coronavirus auch das Herz befällt. Die Langzeitfolgen sind unter anderem Veränderungen am Herzen, die sich auf die Pumpfunktion des Organs sowie auf die Gerinnungsfaktoren des Blutes auswirken. Eine internationale Studie konnte nun nachweisen, dass aufgrund bisher falscher Annahmen mehr Herzstillstände durch Covid-19 verursacht wurden, als die offiziellen Zahlen bisher vermuten ließen.
Präklinische Herzstillstände um das Doppelte gestiegen
In New York City wurde die erste Infektion mit SARS-CoV-2 genau am 1. März 2020 festgestellt. Sogenannte präklinische Herzstillstände (OHCA), zu denen es noch vor dem Transport in ein Krankenhaus kommt, stiegen seit dieser Zeit kontinuierlich an. Am 22. März desselben Jahres kam dann der erste Lockdown. Gleichzeitig verschlechterte sich die Lage in den Spitälern zusehends. Unter anderem mussten Behandlungen aufgeschoben werden, was auch Patienten mit Herzerkrankungen traf. Auch wird davon berichtet, dass der Notruf von einigen Betroffenen bei einem Notfall nicht verständigt worden war, da die Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu groß war. All diese Umstände könnten dazu geführt haben, dass sich nur einen Monat später die Anzahl der OHCA auf das 2,5-fache erhöhte, verglichen mit den Vormonaten. Dies vermuten die Forscher in einem Artikel des Centers for Infectious Disease Research and Policy der University of Minnesota.
Tendenz auch global erkennbar
In der gleichen Zeit stieg zudem die Zahl der OHCA um 500 verglichen mit den Jahren davor, wobei die Zahl der Covid-19-Todesfälle in der gleichen Periode auf weniger als 5.000 Verstorbene sank. Diese Entwicklung betrifft aber nicht nur die USA: Ähnlich sieht es auch in europäischen Metropolen aus, wie etwa Paris, Mailand und London. Auch dort explodierten zwar die Zahlen der Covid-19-Erkrankten, genauso wie die OHCA-Fälle – die Todesfälle durch Covid-19 waren hingegen vergleichsweise gering. Studienautor Dr. Paul Pepe vermutet daher, dass ein Herzstillstand bereits in der Frühphase einer Infektion möglich sei und nicht nur als reine Komplikation bei längeren und schweren Verläufen mit Covid-19, wie bisher angenommen.
Testung auf SARS-CoV-2 blieb oftmals aus
In weiterer Folge würden diese neuen Erkenntnisse bedeuten, dass auch die Zahl der Todesfälle durch OHCA korrigiert werden muss, da ein großer Teil davon wahrscheinlich Covid-19 anzurechnen ist. Eine weiterer Grund für diesen Umstand sind fehlende Testungen zu Beginn der Pandemie, wobei nach dieser Phase ebenfalls selten ein PCR-Test bei durch OHCA verstorbene Patienten durchgeführt wurde. Hinzu kommt, dass die meisten Betroffenen einen derartigen Herzstillstand außerhalb einer Klinik mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überleben. Die ohnehin bereits hohe Todesrate sei aber seit Beginn der Pandemie noch weiter gestiegen, so Pepe weiter. Das sei auf die erhöhte Zahl der Herzstillstände durch Pumpversagen zurückzuführen, die nicht mit einem gewöhnlichen Defibrillator behandelt werden können. Ohne intensivmedizinische Behandlung enden viele dieser Fälle tödlich und stellen damit die schwerste Form bei akuten Herzinsuffizienzen dar.
Echtzeit-Daten werden immer bedeutender
Studienautor Michael Osterholm weist auf eine weitere Problematik hin, die eine schnellere Analyse aktueller Daten verhindere: Viele notfallmedizinische Einrichtungen sind bis dato nicht untereinander vernetzt und übermitteln die aktuellen Todes- und Krankenzahlen somit erst im Nachhinein. Dabei wäre es gerade bei Pandemien wichtig, schnell und zielführend zu reagieren, um diese besser einzudämmen und Betroffene erfolgreicher zu behandeln. Denn kommen etwa weitere Merkmale der Erkrankung auf, kann ein Zusammenhang mithilfe einer möglichst vollständigen Datenlage besser eruiert werden. Andernfalls wird – wie im jetzigen Fall – lange Zeit übersehen, dass präklinische Herzstillstände vermutlich eine erste Manifestation bei einem Ausbruch von Covid-19 sind. Bevor diese Erkenntnisse jedoch als gesichert gelten, müssen noch weitere Studien durchgeführt werden.
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