Wird der menschliche Körper von einem Virus befallen, ist es die Aufgabe des Immunsystems, gegen die Erreger vorzugehen und den Körper vor weiterem Schaden zu bewahren. In den meisten Fällen ist dies ein sehr erfolgreiches System. Wissenschaftler der LMU München erforschten daher nun Möglichkeiten, diese Mechanismen gezielt für therapeutische Zwecke einzusetzen.
Feindliche RNA erkennen
Sowohl körpereigene Zellen als auch Viren besitzen Ribonukleinsäure (RNA). Was bei Körperzellen die DNA ist, ist bei Viren die RNA; sie trägt das Erbgut des Virus. Bei menschlichen Zellen kommt die RNA hingegen etwa bei der Produktion von Proteinen zum Einsatz. Daher ist es wichtig, dass der Körper in der Lage ist zu erkennen, ob er es mit der eigenen oder mit fremder RNA zu tun hat. Zwar sind sich virale und körpereigene RNA in ihrer Struktur sehr ähnlich, trotzdem gibt es ein kleines Unterscheidungsmerkmal: Eine 5‘-Triphosphat Gruppe am Ende der RNA entlarvt sie als viral. Wird diese im Zellinneren entdeckt, leitet der Körper Abwehrmechanismen ein. Immunrezeptoren der Zelle werden aktiviert, was zu der Produktion von Alarmsignalen, den sogenannten Zytokinen, führt.
Gezielter Zelltod als Schutzmechanismus
Die Zytokine weisen den Körper auf die Virusinfektion hin, wodurch das Immunsystem aktiviert wird und zytotoxische T-Zellen die betroffenen Körperzellen angreifen und zerstören können. Außerdem kann die betroffene Zelle selbst ihren eigenen Tod einleiten. Dieser Apoptose genannte Vorgang ist ein Schutzmechanismus, um die Verbreitung des Virus im Körper zu verhindern. Apoptose ist ein wichtiger Prozess für den menschlichen Körper und ist außerdem für die Entwicklung des Gehirns sowie für die Verjüngung von Schleimhautgewebe und die Entsorgung entarteter Zellen von Relevanz. Trotzdem liegen die Mechanismen, die zu diesem wichtigen Vorgang führen, noch weitgehend im Dunkeln.
Apoptose-Auslöser identifiziert
Forschende der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München untersuchten die Apoptose von Körperzellen nun genauer. In einer Studie, die kürzlich im Fachmagazin „Science Immunology“ erschien, analysierten sie die Signalwege, die zu der Produktion von Zytokinen, beziehungsweise der Einleitung des Zelltods führen. Dabei fanden sie heraus, dass die beiden Wege sich molekular klar unterscheiden ließen: So spielten bei der Auslösung der Apoptose die Enzyme Oligoadenylatsynthetase 1 (OAS1) und Ribonuclease L (RNase L) eine zentrale Rolle. Das OAS1 bindet die 5‘-Triphosphat Gruppe und aktiviert die RNase L, wodurch der Zelltod eingeleitet wird.
Immuntherapie mit künstlicher RNA
Die Ergebnisse der Münchner Forschenden bieten nicht nur einen wertvollen Einblick in die genauen Abläufe der zellulären Immunantwort; sie ermöglichen auch die gezielte therapeutische Nutzung der Apoptose in der Krebstherapie. Synthetische RNAs könnten in Tumorzellen eine virale Infektion imitieren, sodass der Körper Abwehrmechanismen wie den Zelltod gegen diese entarteten Zellen einleitet. Die Erkenntnisse ermöglichen die Entwicklung optimierter 5‘-Triphosphat-RNA, die effektiv den Tumorzelltod auslöst und die Bekämpfung der Krebszellen durch das Immunsystem ermöglicht. Die Nutzung synthetischer RNA für die Behandlung von Tumoren wird bereits in klinischen Studien erprobt. Die Nutzung Zelltod-optimierter RNA als Wirkstoff befindet sich derzeit in der präklinischen Phase.
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