Die Corona-Pandemie kristallisierte sich von Anfang an heraus als Bewährungsprobe für alle Menschen, ungeachtet ihrer demographischen Daten wie Geschlecht, Herkunft, Alter, etc. Dennoch litten Kinder und Jugendliche am Verlust der als für selbstverständlich erachteten „Normalität“ besonders, da sich plötzlich ein nie zuvor dagewesenes Gefühl der Ohnmacht sowie Perspektivenlosigkeit in ihnen breitmachte. Nun erforschten WissenschaftlerInnen in Form von Studien die Gefahren von Long COVID für die Jüngsten der Gesellschaft – obgleich die Ergebnisse dem ersten Anschein nach zugunsten der Kinder und Jugendlichen ausfallen, ist die Datenlage noch erschreckend dünn.
Das Long-COVID-Syndrom
Die zentrale Problemstellung bei Long COVID (auch als Post-COVID bezeichnet) gleich vorneweg: Es existiert keine einheitliche Definition, die bei allen Studien konsistent herangezogen werden kann. Die WHO definiert das Krankheitsbild zwar als „Symptome, die drei Monate nach einer Infektion auftreten, mindestens zwei Monate lang anhalten und nicht durch eine Alternativdiagnose erklärt werden können“, viele ExpertInnen sind sich jedoch einig, dass die Definition zu breit gefasst ist, da Long COVID so nicht von gängigen in Rehabilitationsphasen auftretenden Symptomen abgegrenzt werden könne.
Zu den häufigsten in Zusammenhang mit Corona-Langzeitfolgen diagnostizierten Krankheitszeichen gehören andauernde Fatigue, immer wieder auch als sogenanntes Ermüdungssyndrom bezeichnet, eingeschränkte Lungenfunktion samt auffälliger CT-Befunde, wie beispielsweise Lungeninfiltrationen oder Lungenfibrose, Atemlosigkeit, Hinweise auf Herzmuskelentzündungen (Myokarditis), neurologische Symptome, psychiatrische Erkrankungen, Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen, unvollständige Erholung von Geruchs- und Geschmackssinn sowie eine allgemeine Abnahme der Lebensqualität. Der Neurologe Michael Stingl kritisiert auch hier die enorm große Unschärfe, da nicht jedes dieser Symptome automatisch mit Long COVID in Verbindung stünde: „Fatigue ist ein unspezifischer Begriff. Das ist bei vielen Erkrankungen eine Begleiterscheinung, bei Depression genauso wie bei neurologischen Erkrankungen oder eben bei schweren Lungenentzündungen.“
Unzureichende Datenlage
Da sich die systematische Erfassung von Long-COVID-Fällen als extrem schwierig gestaltet und die genaue Anzahl nicht erhoben werden kann, geht die WHO davon aus, dass rund zehn Prozent aller an SARS-CoV-2 Erkrankten mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben. ExpertInnen schätzen die Zahl bei Kindern und Jugendlichen geringer ein, obgleich es nach wie vor an aussagekräftigen, wissenschaftlich belegten Daten mangelt.
Eine im Januar 2022 im „European Journal of Pediatrics“ veröffentlichte dänische Studie konstatierte, dass mit dem Coronavirus infizierte junge Menschen kaum von Long COVID betroffen seien und die Symptome, wenn Langzeitfolgen auftreten sollten, nach kurzer Zeit wieder abklingen würden. Fachleute kritisierten die Ergebnisse allerdings, da die Methodik der Untersuchung signifikante Schwächen aufweise: Die Grundlage der Studie stellten Fragebögen dar, die an positiv sowie negativ auf COVID-19 getestete Kinder und Jugendliche ausgesendet wurden. Aufgrund der geringen Rücklaufrate der Umfragebögen sowie der Unsicherheit, ob die von den jungen Erkrankten angegebenen Symptome tatsächlich auf eine Long-COVID-Erkrankung hinweisen, leidet die Verlässlichkeit der Studienergebnisse. Dennoch sei die These, dass Kinder seltener Corona-Langzeitfolgen aufweisen würden als Erwachsene, plausibel. „Je jünger das Kind, desto seltener kommt Long COVID vor“, beobachtet auch Susanne Greber-Platzer, Leiterin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde.
Datensammlungen aus England bestätigen dies: Zwei Studien, die in Lancet Child & Adolescent Health publiziert wurden, belegten, dass Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren häufiger an Long COVID erkranken würden als jene zwischen 11 und 14 Jahren, Mädchen darunter häufiger als Jungen. Als häufigste Symptome wurden Müdigkeit, Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit angegeben, obgleich auch hier anzumerken sei, dass es der Studie aufgrund der dänischen Umfrage ähnlicher Defizite ebenfalls an Kredibilität mangelt. „Es ist schwierig, zu differenzieren, was tatsächlich auf eine Infektion zurückzuführen ist“, so auch Greber-Platzer.
Diagnose Long COVID – Was nun?
Weil Long COVID ein junges Phänomen ist, fehlt es Betroffenen oft an passenden Hilfsangeboten. Mit Fortschreiten der Pandemie wurden jedoch auch immer mehr Initiativen hinsichtlich des Long-COVID-Syndroms ergriffen, einen Überblick darüber bietet die Website Long Covid Deutschland. Bei schwer zuzuordnenden Symptomen wie beispielsweise Kopf-, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen sollte zuerst die Hausärztin oder der Hausarzt konsultiert werden, um einzugrenzen, ob es sich tatsächlich um Corona-Langzeitfolgen oder eine andere Erkrankung handelt. Im Zuge dessen können eventuelle Überschneidungen mit Erkrankungen wie dem Chronischen Erschöpfungssyndrom ebenfalls diagnostiziert und die Behandlung dementsprechend angepasst werden.
Auch wenn momentan noch keine speziellen für Long COVID konzipierten Medikamente zugelassen sind, konnten in der Vergangenheit bereits positive Erfahrungen mit Kortisonpräparaten gemacht werden, da sie den Rückgang von Entzündungen begünstigen. Der Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie, Dr. Peter Niemann, empfiehlt in einigen Fällen neben einer ganzheitlichen Therapie, die Bewegung im Rahmen der individuellen Belastbarkeit sowie eine gesunde Ernährung umfasst, die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. „Sie können nach meinem bisherigen Eindruck dabei helfen Mangelerscheinungen und Entzündungen bei Long-Covid zu lindern“, so Niemann. „Eine entsprechende Einnahme sollten Betroffene aber in jedem Fall vorher mit ihrem Arzt besprechen.“
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