Der Graue Star gehört zu den häufigsten Augenerkrankungen bei älteren Menschen. Bisher dachte man aber, dass fehlgebildete Proteine die Ursache seien. Forscher der technischen Universität in München haben nun in einer Studie herausgefunden, dass diese Annahme aber wohl nicht der Wahrheit entspricht. Dies könnte neue Ansätze für weitere Therapieformen bedeuten.
Zellen mit Ablaufdatum
Die im Auge vorhandenen Alpha-, Beta- und Gamma-Kristalline werden bereits im Embryo-Stadium gebildet und im späteren Leben nicht mehr vom Körper nachproduziert. Im Laufe der Jahre verklumpen und kristallisieren diese aus, was in Folge zu einer Eintrübung der Linse führt und Grauen Star auslösen kann. Bislang war der Medizin nur teilweise bekannt, wie und warum es zu dieser Verklumpung der Linsenproteine kommt. Angenommen wurde, dass die Alpha-Kristalline als Art Beschützer wirken und fehlgebildete Proteine binden, um eine Verklumpung der Proteine zu verhindern. Häufen sich aber über Jahre diese Schutzbildungen an, sind irgendwann alle Alpha-Kristalline aufgebraucht. Die Linsentrübung setzt dann mehr und mehr ein, so die Theorie. Aber auch eine genetische Veranlagung oder Diabetes kann das Voranschreiten der Erkrankung beschleunigen.
Keine Spur von fehlgebildeten Proteinen
Ob der Vorgang wirklich so stimmt, wollte die Forschungsgruppe der Universität in München anhand einer Studie an Mäusen genauer herausfinden. Dabei wurde die Zusammensetzung der Kristalline über Jahre beobachtet. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: „Wir haben herausgefunden, dass die mutierten, instabilen Proteine in der Augenlinse gar nicht vorhanden sind“, erklärt Studienautor Johannes Buchner in einem Artikel über die Studie. „Sie werden sofort abgebaut.“ Das weist darauf hin, dass keine Übersättigung der Alpha-Kristalline vorlag, obwohl mutierte Kristalline immer wieder vorhanden waren. Erst im Alter traten bei den Mäusen Linsentrübungen auf, sowohl bei einer Gruppe mit Genmutationen im Linsenprotein als auch bei einer anderen Gruppe, die durch eine genetische Vorbelastung zu altersbedingtem Grauen Star neigte. Das spricht weiters gegen die bisherige Theorie der Linsentrübung.
Ungleichgewicht der Proteine verantwortlich
Wenn nun nicht die Ursache am endlichen Verbrauch der Alpha-Kristalline liegt, muss es dafür andere Gründe geben. Dazu analysierten die Forscher den Anteil von Alpha-, Beta- und Gamma-Kristallinen und wie sich deren Verhältnis im Laufe der Jahre änderte. Das Ergebnis: Mäuse, die einen Grauen Star entwickelten, hatten besonders viele Beta-Kristalline im Vergleich zur Alpha-Variante. Das Gamma-Kristallin war hingegen fast nicht mehr vorhanden, der Abbau beschleunigte sich mehr und mehr über die Jahre. Das Gleichgewicht war insgesamt weit außerhalb der optimalen Parameter. „Unser aus den neuen Erkenntnissen entwickeltes Modell ist, dass die Balance der verschiedenen Proteine und damit ihr Verhältnis zueinander wichtig ist“, fasst Buchner zusammen. „Wenn eines dieser Bestandteile fehlt, interagiert der Rest und verklumpt.“
Hoffnung für neue Ansätze in der Therapie
Diese Erkenntnisse könnten nach Ansicht der Forschenden zu neuen Behandlungsformen hinsichtlich der Erkrankung mit Grauem Star führen. Bisher wird mittels eines chirurgischen Eingriffs die getrübte Linse entfernt und mit einer künstlichen Version getauscht. Das bringt aber, wie jede Operation, gewisse Risiken mit sich. Zukünftig soll auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen, die eine Operation in Folge verhindern kann. „Wenn man versteht, was genau passiert, kann man auch überlegen, wie man die falschen Interaktionen vielleicht mit Medikamenten stören kann“, sagt Buchner. Derzeit gibt es aber nur wenige Studien, die eine medikamentöse Behandlung am Tiermodell versucht haben, daher befindet sich die Forschung in dieser Hinsicht noch in den Kinderschuhen: „Das ist allerdings noch ein weiter Weg – und zunächst muss gezeigt werden, dass das vorgeschlagene Modell auch für menschliche Augenlinsen zutrifft“, betont Buchner.
Paul Kersten
20.03.2021 20:17Danke für den informativen Beitrag. Toll, das die neuen Erkenntnisse, nach Ansicht der Forschenden, zu neuen Behandlungsformen hinsichtlich der Erkrankung mit Grauem Star führen könnten. Ich habe auch schon gelesen, das bisher mittels eines chirurgischen Eingriffs die getrübte Linse entfernt und mit einer künstlichen Version getauscht wird. Spannend, das zukünftig auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen könnte, die eine Operation ersetzen kann. Bei meinem Großvater wurde nun auch Grauer Star festgestellt, dementsprechend soll eine Operation zeitnah erfolgen. Jetzt suchen wir nach einem Spezialisten, der eine solche Operation durchführen kann.