Dass die Gesundheit von Körper und Geist eng miteinander verbunden sind, kann wohl keiner mehr leugnen. Die kurz- und langfristigen Folgen von psychischem Stress, der Zusammenhang von Darmmikrobiom und mentaler Gesundheit – und nun sind auch noch die Faszien involviert: Ein Forschungsteam der Universität Witten/ Herdecke (UW/H) untersuchte in zwei Studien die Wechselwirkungen zwischen depressiven Störungen und dem Bindegewebe im Nacken-Schulter-Bereich. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin „Cognitive Therapy and Research“.
Depression schlägt sich im Nacken nieder
Die Faszien sind Bindegewebsschichten, die überall im Körper vorkommen. Sie umgeben Muskeln und Organe und sorgen so für Haltung und Stabilität. Sie können aber auch verkleben und verhärten, zum Beispiel durch Bewegungsmangel. Die Folgen können Schmerzen sein; womöglich sogar Depressionen, wie das Forschungsteam um Prof. Dr. Johannes Michalak untersuchte. „In der ersten Studie haben wir uns dafür interessiert, ob die Eigenschaften des muskulären Bindegewebes der Schulter-Nackenpartie von depressiven Personen sich von denen gesunder Probanden unterscheiden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Depressive einen höheren Grad von Steifigkeit und weniger Elastizität im Schulter-Nacken-Bereich aufweisen als gesunde Vergleichsprobanden“, erklärt der Experte. Darauf aufbauend führten sie die zweite Studie durch, in der sie testeten, ob eine kurze Faszienübung Auswirkungen auf die Stimmung der ProbandInnen hatte.
Mit Faszientraining die Stimmung verbessern?
Um zu untersuchen, ob eine Manipulation des Bindegewebes die depressiven Prozesse beeinflussen kann, teilten die Forschenden die Teilnehmenden in zwei Gruppen ein. Die Versuchsgruppe massierte sich für einige Minuten die Schultern und den Nacken mit einer Faszienrolle, um die Flexibilität des Bindegewebes zu erhöhen. Als Placebo-Therapie wurde die Kontrollgruppe angeleitet, Auf- und Ab-Bewegungen der Schultern zu machen, ohne das Bindegewebe zu massieren. Davon machten die Teilnehmenden mehrere Durchgänge, zwischen denen sie je zehn positive Begriffe wie „schön“, „stolz“ oder „selbstbewusst“ und zehn negative Begriffe wie „schlecht“, „hässlich“ oder „schwerfällig“ von einem Tonband hörten. Nach den Übungen wurden sie dann gefragt, welche Begriffe sie behalten hatten. „Wir haben da einen in der Wissenschaft etablierten Test zum sogenannten Memory Bias, der die Depressionsanfälligkeit erfasst, durchgeführt“, erklärt Prof. Michalak. Wenn die Übungen also helfen, sollte die Versuchsgruppe mehr positive und weniger negative Begriffe wiedergeben als die Kontrollgruppe.
Positivere Erinnerung durch Bindegewebsmassage
Tatsächlich: Die Gruppe, die sich mit der Faszienrolle massiert hatte, erinnerte sich an weniger negative Begriffe als diejenigen, die das Bindegewebe nicht massiert hatten. Allerdings müssen weitere Studien durchgeführt werden, um zum Beispiel auch die Dauer der Besserung zu erfassen. „Unsere Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass Steifigkeit und geringe Elastizität des muskulären Bindegewebes möglicherweise mit dazu beitragen könnte, dass Depressive sich nicht so gut aus ihrem negativen Zustand lösen können. Wir haben allerdings nur die temporären Effekte einer kurzen Selbstmassage untersucht. Ob eine längerfristige Behandlung des muskulären Bindegewebes, in Kombination mit anderen Behandlungselementen, depressiven Personen dabei helfen könnte, ihre Depression besser zu überwinden, muss in zukünftigen Forschungsarbeiten untersucht werden“, kommentiert Prof. Michalak.
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