WissenschaftlerInnen warnen davor, dass die Welt kurz vor einem neuen Ausbruch stehen könnte – doch wider Erwarten handelt es sich dieses Mal um keine neue Variante des seit nunmehr zwei Jahren omnipräsenten SARS-CoV-2, sondern um das seit dem Jahr 2016 ebenfalls weltbekannte Zika-Virus. Berichte über tausende Babys, die mit Hirnschäden geboren wurden, nachdem sich ihre Mütter während der Schwangerschaft infiziert hatten, sorgten für Schlagzeilen. US-ForscherInnen sind der Ansicht, dass eine einzige Mutation ausreiche, um eine erneute explosionsartige Ausbreitung herbeizuführen. Muss sich der Okzident auf eine Invasionswelle von tropischen Mücken-Arten gefasst machen? Insbesondere in Zeiten des Klimawandels scheint dies eine berechtigte Frage zu sein.
Zika-Virus: Was es ist, wer es überträgt und welche Symptome auftreten
Das Zika-Virus, auch Zika-Fieber genannt, zählt zur Familie der Flaviviren, zu der auch das West-Nil-, das Gelb- oder Dengue-Virus gehören. Unterschieden werden kann zwischen der afrikanischen und der asiatischen Zika-Variante. Letztere sorgte für den großen Ausbruch in den Jahren 2015 und 2016 in Mittel- und Südamerika, Asien, Afrika und den pazifischen Inseln Ozeaniens. Übertragen wird es hauptsächlich durch den Stich infizierter Stechmücken der Gattung Aedes (Aedes aegypti and Aedes Albopictus), die typischerweise in warmen Regionen beheimatet und sowohl tag- als auch nachtaktiv sind. Das Virus kann zudem über Sex, per Bluttransfusion sowie von einer Schwangeren über die Plazenta auf den Fötus weitergegeben werden. Dies ist noch Wochen bis Monate nach erfolgter Infektion möglich. Mittels Reisender gelangt das Zika-Virus auch in kühlere Klimazonen: Laut Robert Koch-Institut (RKI) konnten seit Oktober 2015 allein in Deutschland mehr als 280 Zika-Virus-Infektionen festgestellt werden.
Die Beschwerden, die sich üblicherweise drei bis zwölf Tage nach der Ansteckung zeigen, sind oftmals so milde, dass eine Infektion unbemerkt bleibt. Infizierte litten, wenn überhaupt, unter leichtem Fieber, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Hautausschlägen sowie Bindehautentzündungen. „Das Virus greift bevorzugt Nervengewebe an und schädigt es“, so der Mediziner Philip Eisermann vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg. Daher besteht der Verdacht, dass sich im Zusammenhang mit der Infektion in seltenen Fällen das Guillan-Barré-Syndrom, eine Nervenkrankheit mit Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen, ausbilden kann.
Zika-Infektion in Schwangerschaft führt zu Mikrozephalie
Gefährlich kann das Virus insbesondere für Schwangere bzw. deren ungeborene Kinder werden: Infiziert sich eine schwangere Person mit dem Zika-Virus, steigt beim Embryo das Risiko für Fehlbildungen wie die Mikrozephalie, einen auffällig kleinen Kopfumfang, sowie neurologische Störungen und eine Vielfalt weiterer Komplikationen in der Schwangerschaft. ForscherInnen der Universität von Kalifornien in Los Angeles untersuchten im Rahmen einer Studie 216 Kinder, deren Mütter sich während der Schwangerschaft eine Zika-Virus-Infektion zuzogen. Ein Drittel der Säuglinge war entwicklungsverzögert und hatte Probleme mit dem Gehör oder den Augen. Kognitive, sprachliche und motorische Entwicklungsdefizite konnten ebenfalls diagnostiziert werden – auch bei Kindern mit durchschnittlichem Kopfumfang. Zwei Drittel der Babys entwickelten sich unauffällig.
„Den genauen Weg, wie eine Mikrozephalie nach einer Infektion entsteht, kennen wir aber noch nicht“, gibt Mediziner und Virologe Jan Felix Drexler von der Charité zu. Laut einer Studie der Technischen Uni München und des Max-Planck-Instituts für Biochemie könnte sich das Virus Proteine der menschlichen Zellen zunutze machen, um das eigene Erbgut zu vervielfältigen. Seien diese Eiweiße einmal aufgebraucht, würden sich Stammzellen nicht zu Nervenzellen ausbilden können, woraus die atypische Entwicklung des Gehirns resultiere.
Neue Zika-Mutation könnte Antikörpern ausweichen
WissenschaftlerInnen des La Jolla Institute for Immunology in Kalifornien konstatieren innerhalb einer Laborstudie, dass sich das Zika-Virus leicht verändern und es schnell zur Bildung neuer Varianten kommen könne. Diese neuen Virusstämme wären dann selbst in Ländern, in denen nach früheren Zika-Ausbrüchen Herdenimmunität aufgebaut werden konnte, wesentlich ansteckender und erfolgreicher bei der Übertragung. „Seit der explosionsartigen Ausbreitung des ZIKV (Zika-Virus) auf dem amerikanischen Kontinent in den Jahren 2015-2016 besteht eine der größten Herausforderungen darin, die Triebkräfte der ZIKV-Evolution zu verstehen und dieses Wissen zu nutzen, um die Vorhersage künftiger Ausbrüche zu erleichtern“, so die Forschenden.
„Es kann von Neuem losgehen“, mutmaßt auch Drexler. Das Virus wandere ständig umher, von Südamerika bis nach Afrika. Die Folgen, die Zika dort oder auch in Asien nach sich ziehe, seien völlig unklar, da die Meldesysteme in den Gebieten schlecht funktionieren würden. „Die Mobilität hat zugenommen, wir schleppen Pathogene rund um den Globus. Ausbrüche werden wir da sehr wahrscheinlich immer öfter sehen.“
Die Rolle des Klimawandels
Damit die Stechmücken die Krankheiten überhaupt auf Menschen übertragen können, muss es zu Veränderungen der klimatischen Bedingungen im europäischen Raum kommen. Denn der Entwicklungszyklus bei Mücken – und damit einhergehend derjenige von Viren und Parasiten – verläuft bei guter Nahrungsverfügbarkeit und besonders bei hohen Temperaturen rascher. Der Klimawandel spielt Erkrankungen wie Zika, Dengue, West-Nil-Fieber und Malaria dabei direkt in die Hand. „Das ist ein kommendes Problem“, meint auch Medizinexperte Dr. Christoph Specht, „das muss man durchaus auf dem Schirm haben.“
Aktuell sehe es zwar nicht nach einer akuten Bedrohung in Europa aus – infizierte Gelbfieber- bzw. Tigermücken seien schließlich vor allem in Asien sowie dem amerikanischen Kontinent beheimatet – aber sie werde kommen, sollte die Menschheit der Klimakrise weiterhin ihren verhängnisvollen Lauf nehmen lassen. „Letztlich haben die Forscher hier im Labor aber nur nachgewiesen, dass das Zika-Virus auch schnell mutieren kann“, so Specht. „Das ist aber nicht verwunderlich, das trifft auf fast jedes Virus zu.“ Obgleich zurzeit kein Anlass zu akuter Sorge bestehen mag, wäre es dennoch höchste Zeit, ein Umdenken hinsichtlich der Beziehungen zwischen Mensch, Tier und Natur einzuleiten. Wenn COVID-19 uns eines gelehrt hat, dann, dass sich die Erde für menschliche Vergehen an der Umwelt zu revanchieren scheint – und das oftmals auf furchtbare Art und Weise.
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