Alzheimer Demenz ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Leider gibt es kein Heilmittel, nur eine Behandlung der Symptome kann die Belastung, die die Krankheit für Betroffene und ihre Angehörigen darstellt, ein wenig mildern. Dabei ist eine frühe Erkennung von großem Vorteil, denn je eher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser. Dafür müssen aber nicht erst Symptome auftreten, stellten Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) nun fest.
Entzündungswerte weisen auf Demenz hin
Sporadisches Vergessen von Namen oder Terminen, Schwierigkeiten beim Planen oder Verwirrung von Zeit und Ort: All dies sind erste Anzeichen einer Demenz. Wie die Forschungsgruppe des DZNE und des UKB nun aber in einer aktuellen Mitteilung erklärt, lässt sich eine Alzheimer Erkrankung, die häufigste Form der Demenz, wohl auch schon erkennen, bevor diese Symptome auftreten. Als Marker für die Erkrankung gelten demnach bestimmte Entzündungswerte im Nervenwasser. Diese zeigen eine erhöhte Aktivität des Immunsystems des Gehirns an und – das hat die Forschung bereits in den letzten Jahren festgestellt – sind Vorboten der Demenzerkrankung. „Man wusste bereits, dass diese Marker auf Immunprozesse im Kontext der Alzheimer-Erkrankung hinweisen. Bisher allerdings hatte man nicht so umfassend untersucht, wie wir es nun getan haben, wie diese Marker mit Hirnvolumen, kognitiver Leistung und anderen Parametern zusammenhängen“, erläutert Prof. Michael Heneka, Leiter der Studie.
Marker schätzungsweise 10 bis 20 Jahre vorher nachweisbar
An der aktuellen Studie nahmen etwa 300 Frauen und Männer über 60 Jahren teil, wobei sowohl Personen mit Gedächtnisproblemen vertreten waren als auch kognitiv unauffällige. Von allen Probanden flossen Daten aus Gedächtnistests sowie Analysen des Nervenwassers in die Untersuchung ein. Von den meisten lagen außerdem Hirnscans, die mittels Magnetresonanztomographie (MRT) erstellt wurden, vor. Jeweils im Abstand von einem Jahr wurden die Teilnehmenden erneut untersucht, sodass bei manchen Teilnehmenden Daten aus fünf aufeinanderfolgenden Jahren vorlagen. So konnten die Forschenden zeigen, dass die Entzündungsmarker im Nervenwasser bereits auffällig sind, bevor erste Symptome auftreten. „Anhand der bisher vorliegenden Daten können wir die Vorlaufzeit noch nicht spezifizieren. Aber nach meiner Einschätzung beträgt sie mindestens zehn bis zwanzig Jahre“, so Heneka. Die Ergebnisse der Studie publizierten sie kürzlich in der Fachzeitschrift „Neuron“.
Vor allem zur Untersuchung früher Krankheitsstadien geeignet
„Es gibt etablierte Biomarker für Amyloid und Tau. Das sind Proteine, die sich bei einer Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ansammeln und auch im Nervenwasser nachweisen lassen. Deren Messspiegel verändern sich in der Regel noch bevor Symptome von Demenz auftreten, was als Zeichen für nervenschädigende Prozesse gilt. Wir wollten wissen, ob die Entzündungsmarker in ähnlicher Weise anschlagen“, erklärt Dr. Frederic Brosseron, Studienautor und Wissenschaftler am DZNE. „Tatsächlich haben wir festgestellt, dass die meisten Entzündungsmarker erhöht sind, insbesondere wenn ein Marker für Nervenzellschäden erhöht ist. Das gilt auch, wenn diese Personen noch keine Symptome von Demenz aufweisen. Die von uns erfassten Entzündungsmarker eignen sich also insbesondere, um Neuroinflammation in frühen Krankheitsstadien zu untersuchen.“
Neuer Ansatzpunkt für Medikamente
Entzündungsprozesse im Gehirn und auch im restlichen Körper sind an sich nichts schlechtes, sondern eine normale Reaktion des Immunsystems auf Erreger oder Reize. Dauern sie allerdings zu lange an, können sie mehr schaden als nutzen und müssen reguliert werden, erklärt Prof. Heneka in der Mitteilung. „Diese Schutzfunktion zu unterstützen, wäre ein interessanter Ansatzpunkt für die Pharma-Forschung. Hier sehe ich Anwendungspotenzial für die von uns identifizierten Marker. Für die Früherkennung von Demenz im Rahmen der Routineversorgung ist die Messung dieser Marker zu aufwändig. Aber bei der Erprobung neuer Medikamente in klinischen Studien gibt es andere technische Möglichkeiten. Für solche Studien benötigt man Indikatoren, um bewerten zu können, ob Maßnahmen anschlagen und getestete Arzneimittel wirksam sind. Die TAM-Marker könnten dafür sehr nützlich sein.“
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